Mitten im Wald lief Alissa total planlos umher. Sie hatte keine Ahnung wohin sie gehen sollte. Sie wusste nur, sie wollte Abstand gewinnen. Sehr stark kreisten ihre Gedanken immer nur um die Situationen mit Schattenklinge und Kadya. 'Konnte er sich wirklich in mehr verwandeln und wenn ja, warum hat er das dann getan? Oder wollte Kadya sich nur beweisen und hatte ihr deshalb das angetan? Wem sollte sie noch trauen?'
Ihr Weg verlief so planlos, so in Gedanken versunken, dass sie erst aufsah, als der Wald sich lichtete. Wo war sie ausgekommen? Verwundert sah sie sich um.
Am Rand der Lichtung, Alissa gegenüber auf der anderen Seite, lag eine Gestalt im hohen Gras. Kaum zu sehen in erdigen und grünen Farben gekleidet...
Alissa sah über die Wiese hinweg und schaute eher in welcher Richtung sie weiter gehen wollte. So stapfte sie durch die hohe Wiese zur anderen Seite.
In der Nacht war es schon schwer genug durch den mit vielen Gestrüppen zerlesenen Wald zu laufen, doch jetzt wo die Sonne so herrlich schien, merkte sie um so deutlicher wie durstig sie war.
Die Gestalt lag reglos. Eine weiße Hand mit langen Fingern ragte empor. Blonde Haare verbargen das Gesicht.
Alissa betrachtete diese Gestalt. Es war ihr sehr unangenehm. 'War sie etwa tot? Oder nur am schlafen?' Mit einem leichten Fußtritt, wollte sie die Gestalt wenden.
Sie rollte herum - eine Frau. Spitze Ohren verrieten ihre Herkunft... Reglos. Keine Reaktion.
Alissa schaute sich die Frau genauer an und auch die Hand. Wollte sie aber lieber nicht berühren. Schließlich sind schon zu viele an vergiftungen gestorben. Vorsichtig schnupperte sie an ihr. Lebte sie noch? Hatte sie Spuren von etwas am Körper? Danach suchte sie.
Auf der Stirn, verdeckt von den Haaren, ein klaffender Riss und geronnenes Blut. Die Lederkleidung an den Flanken schmutzig und mit hellen Streifen versehen, so als ob man sie geschlagen hätte. Sie atmete flach. Ein leichter Geruch von Blüten haftete ihr an.
Alissa schob vorsichtig die Haare zu seite und sah sich die Wunde an. Sie hatte nicht viel Ahnung davon, aber noch ein langgezogenes Tuch in der Tasche, dass sie um die Kopfwunde band. Weiterhin öffnete sie die Lederkleidung um zu prüfen, ob sie dadrunter noch verletzt war. "Könnt ihr mich hören? Wie heißt ihr?"
Sie reagierte nicht. Der Kopf fiel zur Seite.
Alissa war sehr schnell verweifelt, sie hielt den Kopf fest und legte eine Hand leicht über die Wunde, so wie sie es immer tat. Tränen flossen herab. "Bitte lass sie nicht sterben, lass sie nicht sterben!" Sie konzentrierte sich auf die Wunde. Langsam breitete sich eine angenehme Wärme aus und schloss die Wunde schneller, als normaler Weise. Alissa nahm nichts mehr war, nur noch die Wunde.
Mit einem leisen stöhnen regte sich die Elbin, schlug aber nicht die Augen auf....
"Könnt ihr mich hören?" wisperte Alissa und ihre Tränen der Verzweifelung versiegten langsam. "Seid ihr noch anderswo verletzt? Könnt ihr euch aufrichten? Soll ich Hilfe holen oder soll ich versuchen euch fort zu bringen?" Alissa hatte eigentlich gar keine Ahnung in welcher Richtung es zurück ging. Im Wald hatte sie die Orientierung in der Nacht verloren.
Die Frau in ihren Armen schlug schließlich die Augen auf. Graue Augen richteten sich auf das Gesicht über ihr. Leise fragte sie: "Was ist passiert?" Sie versuchte sich zu bewegen, sank aber mit einem unterdrückten Aufschrei zurück und krümmte sich. Jetzt wurde noch etwas sichtbar: Aus dem Kragen der Lederkleidung ragte etwas von feinstem goldgewirktem Stoff...
Alissa hatte die Lederkleidung der Frau schon geöffnet, um sie nach weiteren Wunden zu untersuchen. Sah jedoch dann noch einmal hin. "Was macht euch solche Schmerzen? Sagt doch etwas!"sprach Alissa aufgebracht. Vorsichtig löste sie das Gewebe, dass sich um ihren Hals gewickelt hatte und legte ihren Hals ganz frei. "Ihr seid bei einer Freundin, es wird alles gut." murmelte sie, um die andere Frau zu beruhigen. Die Frau war verstummt, aber atmete noch. 'Gut', dachte sich Alissa, 'wenn ich keine weitere Hilfe bekomme, werde ich zurück gehen müssen.' Sie hiefte sich vorsichtig aber mit aller Kraft die Frau auf den Rücken und drückte ihre Knie durch, bis sie mit ihr im Huckepack stand. *hust* 'Ich sollte bald was trinken. Hoffentlich ist das in etwa der richtige Weg. Ich werd das nicht lange aushalten können.' Vorsichtig und bedrohlich schwankend machte sich Alissa auf den Heimweg. Sie peilte in etwa die richtige Richtung an und hoffte so zumindest auf irgendwen zu treffen, der ihr helfen könnte und auch etwas Wasser dabei hatte. Sie malte sich Flüsse und Seen in Gedanken aus und die Taverne und ihre Schritte wurden davon angetrieben. Nach einer Weile fand sie einen kleinen Teich, der vielmehr eine größere Fütze war. Alissa hielt an, legte die Frau ab und machte eine kleine Pause um ihren Durst zu löschen. Das Wasser schmeckte wirklich nicht sonderlich, jedoch war es das beste, was ihrer Kehle passieren konnte. Auch die Lippen der Frau benetzte sie und ließ sie ein paar Schlucke trinken. Sie sprach immernoch kein Wort.
So setzte sich ihr Weg fort bis sie nach einem sehr langen Marsch, die Zinnen Gullminnes erkannte. Mit mühevollen, jedoch neu beflügelten Schritten. Kam sie am Tempel an. Sofort erinnerte es sie an Kadya. "Nicht jetzt" ,murmelte sie, ging jedoch die Stufen hoch und stieß die Türen auf.