Vorsichtig näherte Sirgal sich ihr, wohl wissend, was vor Kurzem geschehen war. Mae war wütend, das wusste sie. Die Schwester hatte ja auch allen Grund dazu. Wer war sie schon. Eine Fremde... die auftauchte und nichts als Schwierigkeiten bedeutete. "Mae?" sagte sie leise.
Mae sah nicht mal auf. Ihre Hände waren fest um das Leder ihres Buches gelegt als würde sie sich daran festhalten müssen und ihr Blick lag rot und doch kühl auf einem Punkt in der Ferne zu dem ihm niemand folgen konnte. Ihre Stimme war nur ein Schatten dessen, was man sonst von ihr hörte "Verschwinde.."
"Das wird nichts ändern... Ich... wollte mich entschuldigen."
Die Stimme bleibt leise und scharf "Nichts brächte mich dazu, dir deine Feder und dein Papier zu nehmen. Nichts, dich zu ächten wenn du am Boden liegst *schneidend* Schwester.."
Sirgal wusste, dass sie alles Recht hatte, ihr jeden Vorwurf zu machen - und es war nicht leicht für sie, vor diese Großmeisterin zu treten. "Selbst wenn Du mir die Hände abhacken würdest, mich binden oder mir das Augenlicht nehmen, so könntest Du mir nie die Bilder in meinem Herzen nehmen, Mae. Ein Stück Papier bin nicht ich, auch eine Feder nicht!"
Einen Moment mustern rote Augen die Frau, die nicht zu wissen schien, wie eng eine Harfe an die Seele jener gebunden sein kann, die sie spielen. "Papier und Feder sind ersetzbar. Doch die Harfe ist ein Teil meiner Seele, ihr Segen die Stärke meines Gefährten.. *leiser nun und den Blick wieder abschweifend*.. meines Geliebten.. "
Sirgal ließ sich auf die Knie vor Mae nieder, hob den Blick und sah sie aus dunklen Augen offen an. "Lauriell Lauriann Drachenharfe... Ich war dabei, als er dich erneut rief. Ich... werde dabei sein... Nichts, was ich sage oder tue, wird ungeschehen machen, was ich bereits tat. Es lag mir fern, Dir zu schaden. Nie habe ich Harfe oder Bücher zerstören oder ihnen schaden wollen. Die Liebe eines Drachen muss unendlich sein, wenn eine Geste und ein Wort schon eines Menschen Seele zerstören können", sagte sie leise und der Klang ihrer Worte verriet, dass sie hier aus Erfahrung sprach. "Weißt Du... warum... er dir nie etwas sagte?"
Der Blick der Frau flammt auf in einem wilden Zorn "Die Liebe eines Drachen..?" Ihre Stimme überschlägt sich beinahe bei ihren Worten und sie hastet auf von ihrem Platz, das Buch fliegt mit wehenden Seiten auf den Boden. "Nein ich weiss es nicht.. ich weiss nicht, warum er mir den Sohn und seinem Sohn die Mutter nahm... ich weiss nicht, warum er all das getan hat.. und er sagt es mir auch nicht, weil er schweigt.. seit Tagen... !"
"Mae..." Sirgal hob das Buch auf und legte es auf ihren Platz, dann erhob sie sich. Traurig sah sie der Schwester nach. "Ich denke nicht, dass ER dich aus dem Leben nahm. Es klingt für mich eher so, dass seine Verzweiflung, Dich zu verlieren ihn ... blendete. Anstatt in Eurem Sohn dich zu sehen und zu lieben, sah er nur die Erinnerung an Deinen Tod."
Sie verharrt, den Blick brennend fort am Horizont und in ihm nichts als Zorn und eben jene Hilflosigkeit die diese Tage für sie erfüllt hatten "Und das ist Grund? Grund ihn einfach dem Schicksal zu überlassen? Sich nicht einmal darum zu sorgen, wohin er gerät?
Ich schwöre dir, Sirgal, gleich was du oder wer sonst sagen mag - diese Schuld trägt alleine er und ich werde mich nicht gegen meinen Sohn wenden.. niemals, nicht in dieser und nicht in einer anderen Welt"
"Nein. Es ist kein Grund. Nicht mal das Vergessen seines grauen Bruders wäre ein Grund. Niemals darf der Vater der Mutter das Kind wegnehmen." Tränen traten ihr in die Augen. "Niemals. Kein Herrscher, kein König... Auch mein Kind..." sie brach ab. "Es tut nichts zur Sache. Mae, ich freue mich, dass Du Dein Kind wiedergefunden hast. Erzähle mir, was weißt Du über ihn und den Weg, den er geht?"
Fest und hart trifft die Hand der rotäugigen Frau gegen den ihr am nächsten stehenden Baum, Schmerz scheint sie dabei hingegen nicht zu empfinden. Nur ihre Lippen werden schmaler und schmaler und verlieren ihre Farbe. Das kurze Aufflackern als die Rede von einem anderen Kind war ist so rasch verflogen wie es aufkam. "Du freust dich? DU freust dich? Denkst du ich entsinne mich nicht deiner Worte, auch wenn ich kaum in der Lage war mich aufrecht zu halten? Denkst du ich habe nicht jedes von ihnen behalten? Was interessiert dich mein Sohn ausser denn der Umstand zu erfahren, wie du ihm schnellstmöglich den Tod bringen kannst?"
"Ich kann kein Drachenkind töten, Mae! Nicht in diesem und nicht in einem anderen Leben! Ich habe ihm gezeigt, was ich von seinem Weg halte, von dem, was er den Völkern antat, von dem leid, der Qual, der Folter und dem Tod, den er gnadenlos brachte. Wenn man vernünftig mit ihm reden könnte, wäre das ein weg. Aber sein herz ist massiv und Kupfern – und kann nicht anders schlagen, als für diesen Weg. Der kupferne hat schon einmal ein Drachenkind zu einer Waffe gemacht – und ich fürchte, er wird es wieder und wieder tun, um seine Macht durchzusetzen. Egal, was sich ihm in den Weg stellt." Voller Verzweiflung stand sie bei Mae. "Es ist egal, was ich sage, oder?"
Mae schüttelt nur müde den Kopf, senkt den Blick in einer Trauer, die nur Spiegel dessen ist, was in ihr zerrissen liegt. "Und was, wenn alles Lüge ist? Lies die Legenden.. der Krieg unter denen, die den Drachen folgten war es, der Diebstal des Schöpfungsgeheimnisses war es.. dies waren die Dinge, die geschehen sind, ehe der Kupferne jenen Schritt tat, den wir alle als Grund sehen dafür, ihn zum Tyrannen zu machen.. doch du wirst auf diesem Ohr taub sein.. du kannst es nicht verstehen, weil dein Herz sich nicht öffnen kann, wie das meine es musste.. du wirst es nicht verstehen, und auch sonst niemand.. von diesem Tage an, werde ich immer allein sein, in diesem Leben und in jedem, in dem ich mich an mein Kind erinnere.. und so, wie du es nicht verstehst werden die Drachen mir zürnen.. alle... bis auf den einen von dem ich nichts weiss.. den ich finden muss um mit ihm zu sprechen.. " Ihre Schritte wenden sich langsam ab und gesenkten Hauptes scheint sie gehen zu wollen.
"Mae! Bitte... Weißt Du, wer Halim ist?"
Sie verharrt, hebt den Blick aber nicht "Wer?"
"Halim. Der Seher vom Licht der Wahrheit."
Sie schließt die Augen und scheint nachzudenken, dann nickt sie langsam, etwas unsicher aber wohl einem Gedanken folgend. "Was ist mit ihm?"
"Sie wissen vieles, Mae. Frage dort. Sie sehen Dinge jenseits dessen, was wir wahrnehmen können. Oder frage Arina. Sie weiß es auch..." Sirgal war sehr vorsichtig in ihrer Wortwahl. Sie musste es sein. "Es sind keine Legenden, breda. Es sind keine!"
Mae hingegen schüttelt nur müde den Kopf, die Gestalt kleiner geworden, als wäre sie gealtert oder erschöpft und ohne aufzusehen ist ihre Stimme leise und doch mit einer Sicherheit durchzogen, die keinen Zweifel an ihren Worten aufkommen lässt "Ungezählte Jahre habe ich ihnen zugehört, habe jedem der Drachen gelauscht und geglaubt.. nun ist er es, der zu mir sprechen soll - wie die anderen soll er sagen können und dürfen, was er zu sagen hat.. und sollte er sich mir in dieser Welt nicht offenbaren, so wird er es doch in der anderen Welt tun"
Sirgal erschrak zutiefst. Wie eng war Mae mit Cuirina verbunden? Wie sehr konnte sie sie beeinflussen? Sie selbst wusste kaum etwas von Liltha - oder einer anderen Gestalt, die sie einst gewesen sein musste. Sie fühlte auch keine Erinnerungen oder Beeinflussungen... "Mae. Verzweifle nicht. Du... bist nicht allein. Wir sind durch ein jahrtausende altes Band aneinander gebunden, dass sich nicht so einfach lösen lässt, oder das man vergessen kann. Auch wenn ich Dinge sagte oder tat, die dich verletzten, so bin ich auch an ein Wort gebunden, genau wie Du. Legendenweber... Ich bin in dieser Welt nicht das, was ich in anderer Welt bin. Die Drachenwelt lässt mich etwas sein, das ich nicht kenne. Du lässt mich Dinge tun, die ich nicht kannte! Schwester - vergib mir, die ich nur ein Kind in Deinen Augen sein mag..."
Ein dünnes Lächeln huscht über die bleichen Lippen der Frau. Aye.. jene, von der man ihr erzählt hatte, jene, die sie selbst war, würde sich erinnern. Sie hatte dafür gesorgt, hatte alle Vorbereitungen getroffen und dort, in ferner Zukunft, dort in anderer Welt, würde die Geschichte weitergehen, würde Gerechtigkeit ihren Weg finden. Als sie sich aber umsieht sind ihre Züge rasch wieder glatt und ernst. "Nein Sirgal, allein bin ich und kein Vertrauen gibt es mehr. Du und alle hier wollen nichts als seinen Tod, glaube nicht, ich wäre nicht dumm genug das zu wissen, glaube nicht, ich könne nicht hören oder sehen.. doch höre meine Worte.. tötet ihn.. doch zuvor werdet ihr mich töten müssen. Ich werde nicht meinen eigenen Sohn zu Grabe tragen, das schwöre ich Sirgal.. das schwöre ich.. " Und mit diesen Worten wandt sie sich ab um dem Weg hinab durch die Bäume zu folgen wo sie den Weg zu ihrem Sohn finden würde.
Sirgal hatte eine ebensolche Gewissheit, als sie sich an das Gespräch mit Halim erinnerte und das Ungeheurliche, was er von ihnen erbat. Als Mae sich abwandte, streckte sie die Hand nach ihr aus... als wollte sie Halt suchen, den es nicht mehr gab. Tränen liefen ihr über die Wangen, als sie erkannte, dass sie ihre Schwester verloren hatte - und das Schicksal sich erfüllen musste.