Die Botin hatte sich gefreut, als die freundliche Frau zu ihr kam und um Rat fragte und den Wunsch nach Unterricht äußerte. Diese Myriel Mondkraut war ein umgänglicher, schüchterner und wißbegieriger Mensch und so herrlich unbedarft! Es war für Sirgal eine regelrechte Entspannung vom Alltag, sich mit ihr zu treffen und sie genoß es sehr, freute sich auf den beginn vieler schöner Stunden. Sie hatte es wieder einmal nicht übers Herz gebracht, über Geld zu sprechen, und so reihte sich ein weiterer offener Gefallen in die endlose Liste derer, die bei Sirgal um Rat gefragt hatten. Die Botin wusste nicht, was es sein würde - wusste nicht, wann oder ob sie jemals auf Myriel zukommen würde... aber es war eine neue Möglichkeit.
Morgens wachte Myriel gut gelaunt auf, sie goss eine Kanne Tee auf und schnitt sich eine Scheibe Brot vom Laib ab, aber sie konnte nur einen kleinen Bissen runterbekommen, denn Sie war schon etwas aufgeregt. Sie trank eine Tasse Tee und sammelte die Dinge zusammen, die sie mitbringen sollte: Pergament, Tinte und Feder...
Endlich war es soweit, es musste bald die 11. Stunde beginnen. Sie ging zur Schreibstube der Botin und klopfte an die Tür.
Belustigt schmunzelte Sirgal. Myriel war so herrlich unbedarft und unkompliziert... so ganz anders als alles in den letzten Tagen. "Ja, mir geht es gut. Kommt - setzt Euch!"
Tee Stand bereit in einer großen blauen Kanne, Gebäck und Kuchen auch. Auf dem Tisch lagen ein paar Bücher - und eines davon sollte Myriel kennen! Nur das es jetzt fast neu aussah und keine Gebrauchsspuren aufwies... Sirgal Kräuterbuch.
"Vielen Dank! Ich freue mich sehr, dass Ihr Euch Zeit für mich nehmt! Ihr habt sicherlich wichtigere Dinge zu tun, als mir Kräuter zu erklären!" Myriel nahm auf einem Stuhl Platz und schaute sich im Raum um.
"Eure Zeichnungen werden über die Grenzen Gullminnes hinaus gerühmt, ich durfte schon einige bestaunen. Ihr zeichnet so genau und wirklichkeitsnah, dass man meint, die Pflanze vor sich liegen zu sehen. Ihr zeichnet aber auch Karten, nicht wahr?"
"Ja, durchaus. Ich habe viele Jahre damit mein Geld verdient und tue es heute noch. Gerade auf Reisen ist das ein lukratives auskommen. Aber, Myriel, erzählt mir, was genau euch interessiert. Ich meine – sollen wir mit einer allgemeinen Trankkunde anfangen, mit Pflanzenkunde oder doch den Arten der Ingredenzien? Das Gebiet der Alchemie ist weit..."
"Ich habe vor einigen Tagen feststellen müssen, dass es ratsam ist, bestimmte Kräuter immer bei sich zu führen. Es kann jederzeit passieren, dass man mit Giften in Berührung kommt - man selbst oder auch andere!" Myriel bekommt bei der Erinnerung an die Ereignisse vor einigen Tagen, die sich im Amt zu Gullminne ereigneten, einen trockenen Mund vor Aufregung. Sie benässt mit der Zunge ihre Lippen und spricht weiter: "Als Alchemistin möchte demjenigen dann helfen, dafür muss ich jedoch ein Gegengift herstellen. Leider habe ich bisher bei meinem Meister noch nicht gelernt, wie ich herausfinde, um welches Gift es sich handelt. Ich habe bisher nur herumexperimentiert, bis es klappte." Myriel fasst sich an den Kopf. "Verzeiht, dass ist nicht die Antwort auf Eure Frage. Bitte sagt mir, welche Kräuter am wichtigsten sind - welche sollte ich immer dabei haben?"
Sirgal schloss die Augen und schüttelte den Kopf. Sie sortierte das Gehörte und sah Myriel dann an. "So wird das nichts. Man kann nicht immer alles mögliche mit sich führen, es sei denn, ihr wollt immer mit einem ganzn Karren reisen. Lasst mich nachdenken. Ein paar Pflanzen und Mineralien eigenen sich, um die Wirkung von Tränken zu verstärken - Alraune zum Beispiel. Oft ist man aber darauf angewisen, mit den lokalen Gegebenheiten zurecht zu kommen. Wie seid ihr vorgegangen, um das Gift, von dem ihr spracht, zu Identifizieren? Magisch?"
"Erinnert mich nicht daran, es war eine einzige Rätselei. Aber vielleicht war auch ein klein wenig Magie dabei, denn ein großer Magier war ebenfalls anwesend - wer weiß? Zudem hat mir noch ein Tiefling beratend geholfen sowie eine Bardin und eine Drow! Leider vergass ich aufzuschreiben, wie und womit ich gearbeitet habe. Ich Dummkopf!"
Sirgal nickte langsam. "Notizen sind sehr wichtig, allein schon, um den Weg nachzuvollziehen, den ihr gegangen seid. Hier im haus habe ich diverse Gegengifte zu allen möglichen Substanzen, zum Teil auch Kombinationen... ein Stoffstreifen, etwas von dem Gift daraufgeben, eine Reagenz zum Anfärben dazu und das Gegengift - dort, wo es sich verfärbt ist der Treffer. Das Funktioniert aber nur bei bekannten Giften oder Komponenten. Hat man es mit einem unbekannten gift zu tun, muss man das erst in seine Bestandteile zerlegen - ein meist gefährlicher Vorgang, denn allein das Extrahieren kann ebenso tödlich sein, wie das Gift direkt abzubekommen."
Sirgal lachte. "Nein - und ja... Ich bin auf vielen Reisen sehr weit herumgekommen und habe vieles gesehen, gelesen, gehört und beigebracht bekommen. Von Drow, Elben, Menschen... und vielen anderen. Und manches musste ich einfach ausprobieren. Es war nicht immer leicht. Allein das letzte mal - ich war mit meiner Freundin Kharen und dem Magus Khalek auf der Insel Hathataya. Ein Sumpffieber grassierte dort... und es schien wirklich niemand in der Lage, einen simplen Tee zu kochen. Erschreckend, sage ich Euch. Naja - letztlich hat ja alles funktioniert. Salbei und Alraune..." Sie zog das Rezept hervor, das in der fernen Zukunft eine gewisse T'risslay ihr gegeben hatte.