Geschichtenarchiv » Ein Drache in Gulminne - Anfang Juni 8-2

Oberhalb von Gullminne, nah bei der weißen Statue der gütigen Göttin, gab es eine sanft in Richtung des Ortes abfallende Wiese, die von den Bauern nicht genutzt wurde.

Eine alte Frau ging langsam diese Wiese entlang und ließ sich an einem Punkt, von dem aus sie den ganzen Ort überblicken konnte, im Gras nieder. Es war Anfang Juni 8-2, die Luft war kühl an diesem Tag - aber das störte sie nicht.
Die langen braunen Haare fielen ihr offen über den Rücken und die rein weißen Strähnen darin kündeten von ihrem Alter.
Teife Falten um die leuchtenden Augen unter kupferfarbenen Lidern bewiesen ebenso, dass sie nicht jung war. Aber es war noch etwas besonders an ihr - die schuppige, graugoldene Haut.
Dort saß ein Wesen, dass viel älter war, als die meisten Rassen, die in dieser Zeit die Welt bevölkerten...
In ihrer Kehle schimmerte in mattem gold ein Edelstein unter der Haut.
Sie saß ganz ruhig. Einzig die Sonne und der Wind spielten mit dem goldgewirkten Rockschoß im Gras und den Haaren der Frau.

Yska tobte durch die Gegend. In Gullminne selbst war es ihr zu öde gewesen. Außerdem war es in den Wiesen und Wäldern um die Stadt viel schöner. Sie war den Rundweg gelaufen, querfeldein zu der alten Strafkolonie. Sie hatte im Bach gebadet und sich durch die Wiesen gerollt. Spielen eben.

Sie rannte über die nächste Wiese und erspähte einen Hasen. Mit aufgestellten Ohren und freudigem Gesicht jagte sie dem Tier hinterher und kullerte quasi über die Wiese, auf der auch die alte Frau saß. Yska lag im Gras hinter ihr, nicht weit weg und schnüffelte.

Der alten Frau war das Herumtollen nicht entgangen. Sie blieb ganz still sitzen und ließ dem Wesen zeit, sie zu 'erkunden'.

Yska tappste vorsichtig heran - es war ja nur eine alte Frau. Sie legte sich vor sie und schnupperte nochmal, legte den Kopf schief. "Gehst du schnell kaputt?"

"Ich denke nicht..." sagte sie mit verhaltenem Lächeln. "Wer bist Du?"

"Dann kann ich mit dir spielen," sagte sie und kratzte sich. "Yska und du?"

"Ich bin Cyrgaya. Yska - ein feiner Name. Und Du möchtest Spielen?"

"Raufen!" sagte sie und ihre Augen leuchteten vor Begeisterung. Dann ebbte diese aber urplötzlich ab. "Soll aber nicht, soll erwachsen werden..."

"Erwachsen werden? Wie alt bist Du denn?" fragte sie mit ruhiger Stimme.
"Komm, setz Dich zu mir, mein Kind."

"Wieso dein Kind?" Yska sah die Frau irritiert an.

"Du bist viel sehr sehr viel jünger als ich, meine Kleine." sagte Cyrgaya mit dunkler, weicher Stimme.
"Es ist eine Gewohnheit, die Jüngeren so zu nennen. Nimm es einer alten Frau nicht übel."

Irgendwie schaute Yska enttäuscht. "Ooch, dann spielst du auch nicht mehr, wenn du so alt bist." Sie legte den Kopf auf die Pfoten.

Cyrgaya lachte.
"Ich spiele sogar gern..."

Sie hob den Kopf und legte ihn schief. Skeptisch fragte Yska :"Was denn?"

"Was möchtest Du denn spielen?" fragte Cyrgaya zurück. Sie hätte kein Problem mit einer Rauferei... aber das konnte Yska ja nicht ahnen.
Dunkle Augen unter Kupferfarbenen Lidern sahen das Fellige Wesen aufmerksam an. Der silbrige Kern des tiefen, narbigen Schwerthiebs auf ihrer Stirn schimmerte im Licht der späten Sonne.