Tha'Risha trieb ihr Pferd an wie der Teufel. Sie kannte die Strecke gut und abgesehen davon war ein Unfall ihr vollkommen egal. Sie ritt querfeldein, immer stets auf Schnepfenbach zu. So ritt sie ungefähr anderthalb Stunden über die Höhen Sel Tac'Zils, bis sie zu einem Gasthaus mit Landwirtschaft kam. Hier begann ein Wald und dahinter lag Schnepfenbach. Von dort ging es steil ins Kyrtal hinab und dort lag die alte Ruine. Ein Schlupfloch für allerlei Gesindel, sagte man im Volksmund. Doch das war maßlos übertrieben.
Die Halbdrow lenkte ihr Pferd in den dunklen dichten Wald. Sie hatte keine Angst, sondern lauschte den Geräuschen der Nacht.
Vor vielen Jahren hatte hier auf der Ruine ein Treffen stattgefunden. Damals hatte es kleine Rangeleien gegeben - ein Kampftraining. Sirgal hatte gegen Owen das Schwert erhoben, einige der Wilderländer waren auch zugegen gewesen. Sogar Lady Josephin und Arandil hatten das Geschehen verfolgt. Mahoon, alter Freund von Zaphod, war hier zuletzt gesehen worden. Dann war die Nacht hereingebrochen. Die Schatten aus dem dunklen Dorf waren über das Land gekommen - und der Lich...
Dichter Nebel hing über dem Boden des Waldes, es war so unglaublich still und dunkler als die finsterste Nacht. Nur das Schnauben des Pferdes, sein steter Schritt und das Schlagen ihres eigenes Herzens waren die Geräusche, die sie vernahm. Tha'Risha kam gern hier her, wenn auch meist zu anderen Zeiten. Der Wald um Schnepfenbach herum gehörte zu den schönsten und dichtesten des ganzen Waldes. Ein breiter Weg führte direkt nach Schnepfenbach, doch die vielen kleinen Pfade waren das eigentliche Interessante an ihm. Einer der Pfade führte zum sogenannten Teufelsfels. Hier soll angeblich in grauer Vorzeit ein mächtiger Dämon geherrscht haben, doch heute war es nur ein Fels. Ein wunderbarer Ort mit einer wunderschönen Aussicht. Sie war schon oft hier gewesen, einfach nur, um die Einsamkeit zu genießen.
Tha'Risha ließ ihr Pferd grasen, kletterte auf den Felsen und schaute hinunter ins Tal. Sie schloss die Augen und lauschte nur. Fern am Horizont schickte die Sinne ihre ersten wärmenden Strahlen über das Land. Die Halbdrow hatte schon fast vergessen wie schön dieser Moment des Tages war. Sie kramte in ihrer Gürteltasche und holte ein weißes Kästchen hervor. Sie trug es seit Wochen immer mit sich herum. Sie öffnete es und in ihm war ein Ring mit einem roten Stein. Josephins Ring. Tha'Risha vermied es, ihn direkt zu berühren. Aber als das erste Licht es Tages sich in ihm brach, schien es, als würde sie für einen Moment das Gesicht der Freundin sehen. Vieles hatte die beiden Frauen verbunden, doch Josephin war tot, feige ermordet...
'Sieh dich an, was ist aus dir geworden?' Dieser Gedanke war plötzlich da, mitten in ihrem Beweusstsein. Tha'Risha sah hinaus in das Tal unter sich, beobachtete das Wasser des Baches und sah in die Ferne. War sie wirklich so unberechenbar und unkontrollierbar? Eine Gefahr? Hatte sie sich wirklich nicht im Griff? Waren es nicht eher die anderen, die sie stetig provozierten? Sie konnte nicht unter Rel'Nag dienen. Wie auch? Sie war alles andere als ein Soldat. Das hatte ncihts mit ihren Fähigkeiten zu tun. Im Gegenteil, sie steckte viele der Sargtline was das anging locker in die Tasche. Sie war keine Soldatin. Und dann dieser AlyT'riss. Wer war das schon? Vor allem, was nahm er sich heraus, dieser arrogante Fatzke? Er mag ja eine Menge an Wissen haben, aber das war noch lange kein Grund, im den Allerwertesten zu küssen. Aber selbst Ry'Kah schien ihm seine Eier hinterherzutragen. Solle er nur kommen. Dann fiel ihr Yaru ein und das lange eindringliche Gespräch. Sie hatte ja recht, dass Tha'Risha an viele Dinge besonnener herangehen sollte, aber besonnen bedeutete nicht blind. War sie so wirklich eine Gefahr für das Reich, für Ry'Kah und für Yanni? Wo lag das Problem? Tha'Risha akzeptierte den Status Ry'Kahs uneingeschränkt. Es war die Entscheidung Lloth. Soll Ry'Kah doch herrschen, damit hatte sie kein Problem. Nur was hatte Lloth mit Tha'Risha vor? Sie hing gerade völlig in der Luft. Sie hatte unendlich viele Wünsche, aber Ry'Kah sagte, sie solle sich beweisen. Nur wie? Wie soll sie sich beweisen, wenn man ihr nichts zutraute, sie behandelte wie ein Kind, oder wie ein einfacher Sargtlin. Tha'Risha war kein einfacher Sargtlin und in diese Rolle würde sie sich auch nie pressen lassen. Sie hatt immer kämpfen müssen und das würde sie auch weiterhin tun und wenn jemand meinte, sich in irgendeiner Form mit ihr messen zu müssen, bitte sehr, soll er nur kommen.
Sie spürte diese unbändige Wut in ihr aufsteigen. Warum sagte nur jeder, dies sei etwas schlechtes. Es war die Quelle, das geheimnis ihrer Kraft. Ohne diese Wut hätte sie damals nie überlebt, sie hätte auch nie die Strafen der Göttin überlebt.
Nur musste sie sich ab und an Dampf machen, so auch in diesem Moment. Ein wuterfüllter, aus dem tiefsten Innern stammender Schrei erfüllte diesen jungen Morgen. Aber ein Schrei, der befreite, ein Schrei, der Kraft schuf.
Der Schrei ließ allen Emotionen freien Lauf. Tränen liefen ihr über die Wangen vor Trauer um den Tod Josephins. Die Wut darüber, dass sie nicht zugegen war, als es geschah. Sie saß noch weitere Stunden da oben und schaute einfach nur ins Tal.
Gegen Mittag, die Sonne stand hoch am Himmel, aber dicke dunkle Wolken hatten sich vor ihr Antlitz geschoben, verließ Tha'Risha den Felsen. Sie nahm ihr Pferd am Zügel und führte es durch den Wald. Ihr Ziel war eine Taverne in Schnepfenbach, und sie würde mindestens eine Stunde bis dahin brauchen. Es dauerte nicht lange, da fielen die ersten Tropfen, die sich zu einem heftigen Schauer entwickelten. Die Halbdrow hatte nichts weiter dabei, denn geplant war dieser Ausflug nicht.
Völlig durchnässt erreichte sie eine gute Stunde später die Taverne in Schnepfenbach. Sie brachte ihr Pferd in den Stall, sattelte es ab und betrat dann den Schankraum. Mit wenigen Handgriffen hatte sie ihr nasses Haar zusammengebunden. Sie suchte sich einen Platz vor dem Kamin und setzte sich.
Nach einer gnazen Weile kam eine junge Schankmaid zu Tha'Risha. Sie hatte Respekt vor den Drow und sah zu Boden :"Wünscht ihr etwas zu trinken, Herrin?" Die Halbdrow sah ins Kaminfeuer. "Ein Frühstück und etwas heißes zu trinken wäre nicht schlecht." Das Mädchen verschwand und Tha'Risha begann sich die Pfeife zu stopfen.
Im Schankraum saßen bereits ein paar Männer an einem Tisch, die leise miteinander sprachen, als Tha'Risha hereinkam. Einer saß so, dass er die Halbdrow gut und unauffällig beobachten konnte.
Draußen im Stall standen sechs Pferde- drinnen saßen aber nur vier Männer.
Sie musterte die Männer, während sie genüsslich an ihrer Pfeife zog. Tha'Risha war in einer Laune, in der sie es ernsthaft in Erwägung zog, Streit anzufangen. Die Magd brachte ihr eine gut bäuerliche Schlachtplatte mit frischem Brot und einen großen Krug heißes schwarzes Gold. "Wenn ihr noch etwas wünscht, Herrin, zögert nicht, etwas zu sagen." Damit verschwand das Mädchen wieder.
Tha'Risha lauschte kauend auf, sah erst nach oben dann zu dem Tisch mit den Männern. 'Was hatte wer raus? Klingt nach einem Bolzen...' Sie schaute sich die Männer an, ob sie irgendwas besonderes und vor allem bekanntes an sich hatten. Instinktiv vergewisserte sie sich, dass ihre Waffen und der Helm in Reichweite lagen.
Keine Bekannten. Nicht für Tha'Risha. Die Kleidung war abgetragen aber instand gehalten, bei einem der Männer zeichnete sich etwas wie Lederrüstung unter einer verblichenen Tunika ab, weil er etwas vorgebeugt saß.
Von Oben war ein Scharren, dann wieder das Geräusch eines hast auftretenden Stiefels zu hören.
Einer der Männer sah nach oben - das leise Gespräch am Tisch verstummte.
Tha'Risha knurrte :"Verdammt, kann man hier nicht mal in Ruhe essen?" Ihr Blick war kalt und völlig genervt, als sie zum Tisch rübersah. Es war ein Test...
Einer der Männer stand auf und ging zu einer Tür im hinteren Teil des Raumes. Die anderen wandten sich wieder ihrem Essen zu und fingen an, sich über belangloses Zeug zu unterhalten.
Tha'Risha schnaubte abfällig und winkte die Schankmaid her. "Was sind das für Gestalten?" Nach den Ereignissen der letzten Zeit war diese Frage mehr als berechtigt, mal abgesehen davon, dass sie in voller Uniform hier saß.