Sie lachte. "Nein, wohl eher den Umgang mit älteren Herrschaften gewohnt. Ihr und die malla Yathtallar seid ja um Jahrhunderte älter." Sie hoffte, dass Rel'Nag diesen kleinen Scherz so auffasste, wie er gemeint war.
Der alte Krieger plusterte sich scheinbar entrüstet auf, straffte den Rücken und die Schultern, wuchs scheinbar in die Höhe, runzelte die Stirn und rollte die Augen, aus denen der Schalk blitzte. "Wie kannst Du es wagen!" - aber er lachte herzlich.
"Nau ussta d'anthe - nindel's uss d' dosst alurl jiniquiln...*" Er brach ab. Der Krieger hatte sich halb erhoben, und als ihm ein Knie nachgab, unterbrach er den Satz und wandelte die ungelenke Bewegung in einen Schwung, der ihn um die Ecke des Tisches herumbrachte. So verbarg er, was wirklich war.
* Nein, meine Liebe - das ist eine deiner besten Eigenschaften..."
Zarah unterdrückte den Reflex, ihm die Hand zu reichen. Stattdessen wartete sie, bis er fertig war. "Wünscht Ihr noch etwas, Jabbuk? Dann kann ich es nach oben bringen lassen."
Ein leises "Xas - einen Krug zu trinken..." war die sehr leise Antwort. "Wo wird das Zimmer sein?" Er stützte sich mit beiden Fäusten auf dem Tisch ab und erwartete ihre Antwort.
Zarah erkundigte sich beim Wirt und bestellte sogleich einen Krug leichten Weines. Es dauerte nicht lange, da kam sie zu Rel'Nag zurück und sagte :"Hier entlang." Sie wies auf die Treppe und ging voran in das erste Obergeschoß. Dort kamen sie auf einen längeren Flur. "Die letzte Tür auf der rechten Seite." Zarah ging voran und öffnete die Tür. In dem Raum stand ein großes Bett, ein Tisch mit zwei Stühlen, sowie eine Kommode. Zwei Türen gingen von diesem Zimmer ab, eine auf den Balkon und eine zweite führte in einen kleineren Raum, in dem ein Zuber stand, in dem bereits heißes Wasser eingelassen war.
Der Krieger folgte Zarah die Stufen hinauf - und als sie voranging, um die Zimmertür zu öffnen, lehnte er sich für einen Moment mit der unverletzten Schulter an die Wand. Er war froh, dass sie hier war - niemanden sonst hätter er je um Hilfe gebeten. Als sie das Zimmer betrat, folgte er ihr langsam.
Nach einer erholsamen nacht und einem Tag Ruhe - Zarah war inzwischen nach Gullminne weitergeritten - verließ Rel'Nag das Gasthaus Hildegardsheim und ging hinunter in den Stall, um sein Pferd zu satteln. Still und ruhig legte er dem Schwarzen den silberbeschlagenen Sattel auf und zog ihn fest. Dann verstaute er Gepäck und Waffen... In stummem Zwiegespräch mit dem Pferd bewegte sich der alte Schwertmeister mit einer ruhigen Eleganz um das Tier, die wie ein Tanz wirkte.
Etwas entfernt auf einem Stapel Strohballen lag das Kind und sah ihm zu.
"Komm herunter", sagte Rel'Nag, ohne aufzusehen. "Willst Du das Pferd streicheln?"
Das magere Kind kletterte herab und kam vorsichtig näher. Kleine Finger streckten sich und der große Kopf des Pferdes senkte sich hinunter, um an der Kinderhand zu schnuppern. Fragend sah das Tier den Drow-Krieger an...
Der strich dem Pferd über die dicke Mähne, bis das große Tier den Kopf senkte und für das Kind erreichbar wurde, so dass es das Gesicht des Pferdes streicheln konnte. Rel'Nag beobachtete das Kind etwas mitleidig - bedauerlich, dass es kein Kind der Ilythirien war. Er hätte es mitgenommen und einer besseren Ausbildung zugeführt. Aber es war nur ein Rivvil.
Lange nach diesen Vorfällen - die Fremde hatte Sel Tac'Til längst wieder verlassen und Rel'nag die Patouille beendet, kam es zu den geschehnissen in Gullminne.
Inzwischen war der sechste Tag des zehnten Monats angebrochen.
Am nachmittag saß Faris bereits auf dem Pferd und war unterwegs. Sie wurde von Gunnar und Kharen begleitet, die ebenfalls mal in die Stadt wollten. Am abend machte sie Rast in Hildegardsheim, am nächsten Abend waren sie zu Gast in der Taverne in der goldenen Stadt.
Das, was dort vorfiel, veranlasste Faris, so eilig wie möglich nach Gullminne zurückzukehren. Mit Wechselpferden würde sie es binnen eines Tages schaffen... Sie ritt wie mit einem Dämon im Nacken...
> Fairs wieder in Gullminne, an den Heeresquartieren