Der Spätsommer schenkte auch der kleinen Inselgruppe im nördlichen Meer bunte Farben und warme Tage voller Müßiggang. In Neu Cygnar gab es keine ungewöhnlichen Ereignisse dieser Tage - alles verlief ruhig und in geordneten Bahnen. Trainings, Übungen, normale Dienste. Eine entspannte Gelassenheit lag auf der Hauptinsel und verleitete zu einer gewissen Langeweile...
Fox stand oben am Torkreis und starrte ins Leere. Sie lehnte an einem der Türme und sah übers Meer.
Amira- geplagt von Langeweile- kam langsam den Weg zum Tor hinaufgeschlendert. Mit den beiden Pferden war sie seit dem Morgen unterwegs gewesen und hatte gut mit ihnen gearbeitet, sodass diese sich nun eine Pause redlich verdient hatten und im Lazarett gab es gerade nichts zu tun für sie.
Fox hatte das Gesicht in die Sonne gedreht und die Augen bis auf schmale Schlitze geschlossen. Der Rockschoß der blauen Seidenkleidung wehte im Wind hinter ihr.
Sie seufzte, lehnte den Kopf seitlich an den warmen Stein und schloß die Augen. Amira hatte sie noch nciht gesehen.
Halb gähnend kam sie den Weg weiter hoch. Unten am Hafen war sie schon gewesen und nun hoffte sie wenigstens hier auf was Interessantes zu stossen, doch irgendwie glaubte sie nicht so recht daran, als sie die halb vor sich hindösenden Soldaten auf ihren Posten sah...
Sie hörte das Lärmen der Kinder bis zum Tor hinauf- die gewundenen Gänge leiteten das Ganze hervorragend weiter...Doch so gelangweilt sie gerade war, das kleinen Kindern, die sie bis zur Erschöpfung jagdten, war ihr gerade nicht- wenn es ihre eigenen gewesen wären, wohl eher, doch das schien noch Zeit zu haben. Amira schaute sich um und sah Fox dort an einem der Türme stehen. Sie kam zu ir herrüber und stellte sich daneben. "Auch nix zu tun?", fragt sie schief lächelnd.
Fox öffnete grade den Mund, um Amira zu antworten, als das geschah, was niemand ahnen konnte. Die Aktivierung kam urplötzlich und unvorhergesehen. es gab eine regelrechte Entladung, einen Sog, der einsetzte.
Fox, die nah am Turm stand, riß es von den Füßen. Sie stürzte nach hinten über, schlug auf den Steinkreis, rutschte ein Stück darüber und blieb benommen liegen.
Amira hatte zu Fox geschaut, als diese antworten wollte und urplötzlich das Tor losging. Sie hatte keine Zeit zum Reagieren und so wurde die Frau mit den verschiedenen Augen ebenfalls von den Beinen gerissen, allerdings von dem Sog voll erfasst, da sie nicht im Schutz des Turmes gestanden hatte. Vergeblich versuchte Amira sich mit den Fingern am Boden festzukrallen- kein leichtes Unterfangen, wenn einem noch vom Sturz der Schädel dröhnte...
Vögel zwitscherten in dem dichten Laub des Waldes und leises Rascheln im Unterholz zeugte von einer regen Tierwelt. Es war schattig aber warm.
Ganz in der Nähe waren Männerstimmen zu hören, Klirren von Kettenhemden und Geräusche von Rüstungen und Pferden "...immernoch nicht gefunden? Sucht sie! Ihr werdet doch wohl eine einzelne Frau - zudem noch in heller Kleidung - in einem Wald ausfindig machen können! Sie ist zu Fuß unterwegs. Ihr wisst, was euch blüht, wenn der Hauptmann davon erfährt. Also! Sucht sie!" Die Stimme war befehlsgewohnt und barsch. Murmelnd wurde zugestimmt und Hufschlag entfernte sich in verschiedene Richtungen. "Ein ganzer Trupp gestandener Männer kann keine Hexe aufspüren? So weit kommt es noch!" fluchte er ungehalten.
"Oh Morrow...mein Schädel...", murmelte Amira und griff sich an den Kopf, wo ihre Finger leicht von Blut benetzt zurückkamen. Sie guckte grummelig auf ihre Finger, als der Ruf an ihr Ohr drang. Instinktiv ging sie in Deckung, als sie die Worte hörte. Amira trug noch vom Reiten die verwaschene dunkle Hose zu den Braunen Lederstiefeln und die dunkelblaue Tunika, die sie sich aus den Drachenlanden mitgebracht hatte, nebst der ebenfalls Blauen gefütterten Weste. Am Gürtel trug sie lediglich ihre Steinschloss und die kleine Ledertasche mit der Ersatzmunition; im Stiefel war wie immer ihr Lieblingsdolch verborgen. Abgesehen von einem einzigen EHP in einer Gürteltasche und einem kleinen Stoffbeutelchen mit einer handvoll Kupfermünzen, hatte sie nichts bei sich. Ihren Mantel trug sie nicht- in Neu Igraine war es an jenem Tag ohnehin zu warm dafür gewesen und den Dreispitz hatte sie beim Sturz am Tor verloren...Amira schickte ihre Sinne auf die Reise und versuchte mittels simplem Lauschen herauszufinden, wieviele es waren, in welche Richtungen sie sich bewegten und ob sonst noch jemand oder wtas in der Nähe war...
Der Sprecher schien mit einem weiteren mann dort zu warten, denn sie sprachen leise. An Reitern würde sie sechs ausmachen können, von denen sich einer ihr näherte.
Außerdem würde ihr Ohr vielleicht noch eine kaum hörbares Schleichen vernehmen, ein ganz leises Klacken und dann atemlose Stille.
Amira wechselte ihre Deckung hinter dem Strauch gegen eine unter einer umgestürzten Baumwurzel, als einer der Reiter offenbar in ihre Richtung kam. Von dort hielt sie Ausschau nach der Quelle des anderen Geräusches- sie roch es förmlich, dass da noch jemand herumkrauchte...Die Rothaarige Frau hoffte nur, dass das Pferd nicht auf ihren Geruch reagieren würde- sie hatte immer noch die Kleidung an, die sie auch bei der Arbeit mit ihrem geliebten Dhashur und der Grauen cygnarischen Stute angehabt hatte; sie hatte sich nicht umgezogen, ehe sie zum Tor hinaufgegangen war...
Doch, das Pferd reagierte... spitzte die Ohren... aber der Reiter sah in eine andere Richtung und das mit gutem Grund.
Das dunkle Tuch blieb ligen - und sein wertvoller Inhalt. Vielleicht würde es gelingen, es später wiederzuholen. Doch der Mann hatte etwas gesehen! Sie wartete noch zwei Atemzüge. Doch, er hatte sie entdeckt! Das Bündel unter dem Stamm musste warten - es behinderte sie zu sehr. Geduckt lief sie los - doch das Weiß der Tunika war gut zu sehen.
"HIER! HIER IST SIE!" Er trieb das Pferd an und setzte ihr nach, preschte an Amira vorbei und hielt auf die Flüchtende zu.
Die andere Frau wählte geschickt einen Weg auf eng stehende Bäume zu, die das Pferd behindern würden, doch der Vorsprung schmolz dahin. Der Reiter hatte zudem eine gespannte Armbrust dabei...
Amira duckte sich in ihre Deckung, als der Reiter an ihr vorbeipreschte. Beinahe automatisch war sie in die Rolle der Jägerin gerutscht. Sie sah die fliehende Frau und die gespannte Armbrust...Sie wusste, es wäre wohl besser gewesen, sich nicht in diese Angelegenheit einzumischen, doch sie konnte es nicht mit ansehen...Langsam und bedächtig hob sie einen kleinen Stein auf und wartete, bis der Mann anlegte um zu zielen...
Der Mann war ein erfahrener Reiter. Er ließ den Zügel auf den Hals des Pferdes fallen und nahm die Armbrust hoch, legte an... das Pferd galoppierte weiter.
Die Frau strauchelte, lief aber unbeirrt weiter, auch wenn man ihren Bewegungen ansah, dass diese Flcuht schon eine ganze Weile so gehen musste. Nun gesellten sich auch die anderen Reiter dazu...