In der großen Halle, die sich im östlichen Berghang bei Gullminne befand, wurden alle wichtigen und nicht-öffentlichen Dinge besprochen, die Sel Tac'Zil betrafen.
Ry'Kah grübelte. 'Du bist hier zu jeder Zeit herzlich willkommen, Barr'Estan. Aber genau das, was du hier zu sehen bekommen hast, ist das, was dem Reich (Ner'Zuhl) schadet. Vielleicht ist es an der Zeit über einen Wechsel in der Führungsspitze nachzudenken? Auf bald, mein lieber... ' genau das war es, was sie ihm ins Ohr geflüstert hatte. Warum gab es keinerlei Gemeinsamkeiten mehr zwischen Ner'Zuhl, dass ihnen ja den Weg bereitet hatte, und Sel Tac'Zil mehr? Das Auftreten von Tichondrius war das eines arroganten Schnösels gewesen, der keinerlei Rücksicht auf irgendwelche Etikette nahm. Er hatte nicht nur das Reich, sondern auch seine Hüterinnen so schwer beleidigt, dass nur ein Tropfen noch gefehlt hatte, und er wäre unter Ry'Kahs Händen gestorben. Der Dolch, den die Priesterin mit sich führte, war mit einem hochwirksamen Gift versehen...
Sie war in dem Besprechungsraum herumgegangen und hatte Karten aufhängen lassen, die Ner'Zuhl und das inzwischen mindestens ebensogroße Sel Tac'Zil zeigten. Getränke und leichte Speisen standen bereit, die ein paar Diener organisiert hatten. Pergament und Feder waren für jeden bereitgelegt. Nun konnte sie nur noch warten. Langsam trank die Priesterin einen Schluck von mit Wasser gemischtem Fruchtsaft. Die anderen sollten bald eintreffen.
Unruhig erhob sie die Priesterin wieder. Sie stellte das Glas zur Seite und wanderte in dem Raum auf und ab. Der Ausdruck in Barr'Estans Augen ging ihr nicht aus dem Kopf... dieses Aufblitzen und der nachdenkliche Gesichtsausdruck... Sie fluchte innerlich über das Verhalten von Tichondrius. Der Heermeister schaffte es immer wieder, Probleme zu schaffen, wo es keine gab. Dieser Bruch der Etikette - wieder und wieder... Die Nichtachtung vor dem eigenen Volk, der hass auf alles, was mit der großen Mutter zusammenhing...
"WARUM?" rief die Priesterin in den leeren Raum. "Große Mutter - WARUM?"
In dem Moment betrat Tha'Risha den Raum. "Weil er ein erbärmliches, dummes, arrogantes und unwissendes Männchen ist. Wir sollten ihn nicht beachten, er spielt in dem, was wir sind und auf unserem Weg keinerlei Rolle mehr!" Der Satz kam kalt und ohne Emotion.
Ry'Kah wandte sich Tha'Risha zu. "Aber er ist auch der, der uns auf diesen Weg brachte, Dalninil. Wie kann er alles leugnen und SO dumm sein? So ignorant kann nicht ein einfaches nesst sein - keiner unserer Soldaten weist ein so großes Maß an inkompetenz und ... Starrsinn auf!"
"Er leugnet alles, wofür unser Volk steht! Er ist kein Drow!" Aus Tha'Risha sprach Abscheu gepaart mit völligem Unverständnis. "Starrsinn? Er ist blind! Verblendet, in einer Welt, die nicht die meine mehr ist. Versteh mich nicht falsch. Auch ich habe vorhin im Haus der Schatten einen Freund verloren."
Ry'Kah stützte sich mit beiden Händen auf dem Tisch auf und betrachtete ihr Spiegelbild in der polierten Holzplatte.
"Einen Freund verloren..." Sie wiederholte ihre Gedanken bezüglich Barr'Estan: "Der junge Krieger - Ich habe ihm 'Du bist hier zu jeder Zeit herzlich willkommen, Barr'Estan. Aber genau das, was du hier zu sehen bekommen hast, ist das, was dem Reich (Ner'Zuhl) schadet. Vielleicht ist es an der Zeit über einen Wechsel in der Führungsspitze nachzudenken? Auf bald, mein lieber... ' ins Ohr geflüstert. Er hat mit blitzenden Augen und fast etwas wie Zustimmung reagiert. UNd auch er schien mir sehr traurig zu sein. Meinst Du, man könnte da etwas wie einen Austauschkontakt schaffen?"
"Zumindest was Barr'Estan angeht, bin ich mir sehr sicher. vielleicht ist er noch etwas... lernfähiger im Bezug auf die große Mutter. Ich würde ihn nicht in den Galuben zwingen wollen, doch es besteht vielleicht die Hoffnung, dass er eine Saat nach Ner'Zuhl trägt, die dort aufgehen kann."
Tha'Risha schnaubte abfällig. "Glaubst du wirklich daran?" Sie trat um den Tisch und stellte sich ans Fenster. "Ner'Zuhl isoliert sich mehr und mehr, und Tichondrius distanziert sich von seinem eigenen Volk. Sie haben vergessen, was es bedeutet Drow zu sein."
"Da hast Du allerdings recht. Langsam beginne ich an Vielem zu zweifeln, Dalninil... was bedeutet Ner'Zuhl? Sind sie wirklich ein Haufen Abtrünniger, die vom rechten Weg abgekommen sind und die Gunst der Mutter vollends verloren haben?" Ihre kratzige Stimme klang dunkel und nachdenklich.
Akor'Rar betrat leise die Besprechungshalle und verbeugte sich. "Malla Jallil - malla Yathtallar... Verzeiht die Unterbrechung. Es gibt etwas Neues aus dem Haus der Schatten, dass ihr Wissen solltet. Wolfgar übergab Bar'Estan eine Mappe mit Pergamenten, bevor er abgeführt wurde. Und der Druchii wirkte sehr selbstzufrieden." Er verneigte sich erneut.
"Selbstzufriedenheit gehört wohl zu ihm, wie der Stachel zu einem Skorpion." Sie seufzte. "Lies das, Dalninil." Tha'Risha zog zwei nicht gerade sorgsam gefaltete Pergamente aus der Gürteltasche und gab es Ry'Kah. Auf dem einen war das Siegel Tichondrius zu sehen. "Das eine ist eine Kopie des Briefes, welches ist nach diesem Burgfest nach Ner'Zuhl geschickt habe. Das andere ist Tichondrius Antwort."
"Ussta abbil!
Ich wende mich in einer dringenden Angelegenheit an dich. Khazul’Mar erhebt Anklage gegen deinen Diplomaten. Wolfgar Schattenklinge hatte auf dem Boden des Reiches Sel Tac’Zil Morddrohungen gegen einen jeden Bürger des Bündnisreiches Khazul’Mar vor Zeugen ausgesprochen. Was genau vorgefallen ist, weiß ich nicht. Fest steht, dass diese Drohungen ausgesprochen worden sind! Ich habe mir heute von den Vertretern Khazul’Mars sowie Schattenklinge selbst die Ereignisse darlegen lassen. Khazul’Mar hatte begründeten Verdacht, dass Schattenklinge einen Gegenstand bei sich trug, der für das Gelingen eines bestimmten Sachverhaltes notwendig war. Gleichzeitig trug dein Diplomat ein Kraut bei sich, welches alles magische auf Abstand hielt, ein Umstand, der den ersten Verdacht verhärtete. Um an Schattenklinge heranzukommen, schnitt einer der Krieger Khazul’Mars mit einem Dolch diese Pflanze ab, Schattenklinge wurde aufgrund seiner eigenen Bewegungen mit dem Dolch an der Hand verletzt. Ein winzig kleiner Schnitt. Doch dein Diplomat beleidigte Khazul’Mar und vor allem die Götter unseres Bündnispartners. Tichondrius, es reicht! Ich habe ihn bislang noch nicht festsetzen lassen, da ich eine Stellungnahme deinerseits haben möchte. Nicht nur, dass Schattenklinge tut, was er will, nein, er beschmutzt mit seinem Handeln das Ansehen des Reiches Ner’Zuhl und das Sel Tac’Zils. Da dieser ganze Vorfall auf unserem Grund und Boden stattfand und weil ein Gast des Reiches Sel Tac’Zils, denn mehr ist er nicht, einen Verbündeten derart beleidigte und bedrohte, sehe ich mich in Position zu handeln. Die Frage ist nur, ob du ebenfalls reagieren möchtest oder ob ich die Angelegenheit klären soll. Ich sage dir nur ein, im letzteren Fall solltest du dir bewusst sein, dass ich es Khazul’Mar überlassen werde, wie sie über ihn richten.
Gez. Jallil Tha’Risha del Sel Tac’Zil Ven’tasha lueth Ul’Saruk del Sel Tac’Zil
Ehre und Treue dem Reich Ner`Zuhl, sei mir gegrüßt... Ich habe über meine Informanten auch den ein oder anderen Sachverhalt zugetragen bekommen. Ich habe meinerseits schon reagiert (OT ich denke es wird im Forum von Lars und co ausgespielt) und Wolfgar abgezogen. Ich werde ihn in Ner`Zuhl zur Rechenschaft ziehen und er wird sich für sein Handeln erklären müßen. Desweiteren habe ich es auch schon den Herren aus Khazul`Mar erklärt. Wolfgar ist kein Diplomat sondern nur ein Botschafter und Mittelsmann. Er hat die Aufgabe inne gehabt unsere Interessen in Euren Landen zu wahren und für eventuelle Bündnisse oder verträge als Ansprechpartner vor Ort zu sein. Nicht mehr nicht weniger. Ich erbitte von Euch uns noch etwas Zeit zu lassen dieses Kapitel selbst zu beenden. Sollten wir dessen, was ich nicht annehme, nicht habhaft werden, werden wir uns an Khazul'Mar wenden und sie selbst Handeln zu lassen. Ohne daraus eine politische Krise zu machen...
Hochachtungsvoll Tichondrius Freiherr von Ner`Zuhl Oberster Heermeister des Reiches und Mitglied des Ältesten Rates
Ry'Kah nahm die beiden Dokumente mit einem Stirnrunzeln entgegen und sah Tha'Risha in die blauen Augen, bevor sie las. Etwas später verfinsterten sich ihre Züge noch weiter. 'So, so', dachte sie. 'Meine liebe Schwester hat es also nicht einmal für nötig befunden, mich zu informieren...' Sie grollte innerlich - sagte aber nichts außer: "Interessant...."