Schlagartig erhellte sich Tha'Rishas Miene wieder und sie stand auf. "Xas, An'kin." Sie gab Fersengeld und sputete, kam nur ein paar Minuten später mit einem großen und schweren Buch wieder, auf dessen Deckel ein Drache prangte. Sie setzte sich zu Yaru und hielt ihr das Buch hin.
"Das Buch ist das Artefakt des Grauen Drachen, eine Art Wissenssammler. Eine Art Schutz ist darüber, so dass nur ich es öffnen kann, oder der Avatar des Grauen." Die magische Signatur des Buches, war der Tha'Risha gleich, die beiden waren tatsächlich verbunden - durch Blut. Das Buch war wie ein Arm oder Bein oder anderes Körperteil der Halbdrow. Schlug man es auf, so erkannte man noch eine zweite Signatur, quasi ein magischer Fingerabdruck, er gehörte Sirgal.
Jeder Buschstabe, jeder Pinselstrich in diesem Buch hatte eine eigene magische Signatur - die Yaru würde sehen können. Da Sirgal einem Zauber unterlag, wenn sie so malte oder schrieb, hinterließ sie ein astrales Abbild eines jeden Buchstaben, der wie eine Leuchtspur für die Tzeentch-Hexe zu sehen sein musste. Jedes Bild in dem Buch würde von einem astralen Abbild überlagert sein, in dem das Bild, das Sirgal vor ihrem geistigen Auge gesehen hatte, steckte...
"Es sind nicht einfach nur Buchstaben, Yaru." Tha'Risha schlug das Buch auf. "Es sind die Erinnerungen und die sind lebendig. Du müsstest es auch lesen können... denk ich."
Yaru sah in das Buch und blätterte darin herum. "hmmm ja... gute arbeit..."von seite zu seite wuchs ihr interesse bis ihr Kopf quasi in dem Boch nahezu verschwand.
Es waren Bilder der unterschiedlichsten Gruppen darin, Lunas Fänge, Sel Tac'Zil, Talogon, Magonien... aber auch die Mumien. Geschichten, Berichte von Schlachten, alles. Je mehr man las, desto lebendiger wurde es. Die Geschichten waren zum greifen nah. Eine der Geschichten fand in einem Zelt statt, Tha'Risha saß bewusstlos in einem Sessel, ein Schnitt an ihrem Handgelenk, Sirgal und Lorrinde daneben und noch jemand, eine menschliche Magierin. Der Herzschlag Tha'Rishas wurde langsamer und kaum noch wahrnehmbar.
"Außerhalb" des Buches schmunzelte Tha'Risha und sah Yaru zu.
Die Emotion, in der Sirgal die Zeilen abgeschrieben hatte, die Tha'Ruisha ihr vorgelegt hatte, sprach Bände. Sirgal selbst hatte Tha'Risha die Pulsadern geöffnet und sie an die Schwelle des Todes gebracht...
Wir schreiben das Jahr 4-2, es ist im Hochsommer. Ich weiß nicht, warum ich mich an diese Wesen hänge, aber was solls. Das nennt man wohl richtige Freundschaft. Cyrgaya bat mich, mit ihr das Fest der Drachen, in Drekiheimur, wie sie die Lande der Drachen nennt, zu besuchen. Wieso nicht? Ich reise mein ganzen Leben lang durch die Welt, da wäre die Drachenwelt wohl nur ein weiterer Ort auf einer langen langen Liste. Ich begleitete sie also. Hätte ich damals gewusst, was sich aus diesem Freundschaftsdienst entwickelt... Wir lagerten unter dem Banner des Goldenen, der jüngste der Drachenbrüder, jener, der für Gerechtigkeit und den Ausgleich steht. Ein seltsames Lager. Immer wieder hörte man Geschichten von einem Grauen alten Drachen, doch er wurde in jenem Jahr nicht gerufen, weil er nicht stark genug war. Ich verstand das damals noch nicht alles und ich war mehr als beeindruckt. Dann kam eines Abends Cyrgaya auf mich zu und fragte, ob ich ihr vertrauen würde. Nachdem ich dies bejahte, nahm sie mich mit zum Ritualkreis, wo wir unseren Schwur leisten sollten. Welchen Schwur dachte ich damals und dann erklärten sie es mir. Am Ritualkreis waren über einhundert Wesen versammelt, aus allen Lagern. Sie sagten, sie seien die Anhänger des Grauen Drachen, der nicht gerufen wurde, doch sie würden noch treu zu ihm stehen. Sie hatten sich versammelt, um ihn anzurufen, auf dass er stark genug sei, zurückzukehren. Er, der für Wissen und Weisheit steht. Ich spürte ihn, seine Präsenz und leistete den Schwur und ich wusste, dass es das richtige war. Wir haben ihn nicht wecken können, doch er sollte zurückkehren auf dem nächsten Fest der Drachen. Doch wir, die Anhänger des Grauen waren damals nicht allein am Ritualkreis. Der schwarze Drache schickte seine Anhänger, sowie das Lager des ewigen Wandels. Sie beobachteten nur und Gerüchten zufolge schützten sie uns. Es war der Vorabend der großen Schlacht und Cyrgaya vertraute mir ein Geheimnis an. Das Banner des Grauen dürfe nicht offen auf das Schlachtfeld getragen werden, denn der Graue Drache war nicht da, es gab kein Lager. Also würde es unter ihrem Gewand bleiben, aber eben auf dem Schlachtfeld sein. Gesagt, getan. Wir nahmen unter dem Banner des Goldenen Aufstellung, ich schützte mit meinen Klingen Cyrgaya während der blutigen Schlacht. es war ein widerliches Gemetzel und die Orks waren einfach zu stark. Bald brachen unsere Flanken und es war nur eine Frage von Minuten. Sie erreichten uns zügig. Dann, als keines der Drachenbanner mehr auf dem Feld stand und uns der stinkende Atem der Orks bereits die Luft nahm, zog Cyrgaya das banner des Grauen unter ihrem Gewand hevor. Zusammen mit Unauwen, einem Andurin und einem weiteren Krieger, hissten wir das Banner des Grauen Drachen über dem Schlachtfeld und hielten es aufrecht. Immer mehr Anhänger scharten sich um uns. Und ich hörte seine Stimme, die zu mir sagte :"Lerne, mein Kind, lerne!"
Yaru konnte die Bilder sehen, das Blut riechen, das Geklirre der Waffen hören... Es war lebendig.