Südwestlich der Grenzen von Sel Tac'Zil lag einen Tagesritt entfernt eine Taverne mitten in einem dunklen Waldstück. Die kleine Lichtung vor dem Haus war als Weide angelegt und neben dem Haupthaus war ein gehöhlter Baumstamm als Tränke, die von fließendem Wasser aus einer Felsenquelle in der Nähe gespeist wurde. Hinter der Tränke lag ein separates Stallgebäude.
An diesem Nachmittag war Sirgal aufgebrochen, weil sie gehört hatte, dass es jemanden gab, der ihr eventuell gewisse Informationen zu einer bestimmten Frage beschaffen konnte. Sie hatte ihr Pferd in den Wald gelenkt und nach einiger Zeit bei einbrechender Dämmerung die Taverne im Wald gefunden.
Die Tür wurde geöffnet und ein Reiter in nachtblauem Mantel und schweren Stiefeln betrat den Raum. Ein graues Tuch bedeckte Hals und verbarg das Kinn - ein Dreispitz auf dem Kopf zeigte sehr kurze braune Haare...
An einem der hinteren Tische saß ein Mann, gekleidet in einem langen dunklen Gewand. Aus einer langen Pfeife stieg ein dünner Rauchfaden auf, und er sah mit Interesse dem Reiter über den Rand seiner Brille entgegen.
Vor einiger Zeit hatte er ein Schreiben bekommen; der Inhalt bestand nur aus wenigen Sätzen. Ein Datum und eine Uhrzeit, eine Ortsangabe, und die Beschreibung einer Frau, die er dort treffen sollte. Nun, er war zu dem angegebenen Datum und der Uhrzeit in der Taverne. Allerdings war bis zu diesem Zeitpunkt, an dem der Reiter eintrat, niemand gekommen, auf den die Beschreibung zutraf.
Breite Schultern, dicke Handschuhe, ein metallener Bauchgürtel als Schutz um den Leib, Lederbewehrte Beine in schweren Stiefeln - nicht wiklich das Auftreten einer Frau. Zumal der Reiter zum Tresen ging, dort eine schwere Satteltasche abstellte und mit rauher, sehr leiser Stimme etwas zu essen und verdünnten Met bestellte. Auch der Gang ließ nicht auf ein weibliches Wesen schließen - und die Figur war kaum zu erkennen.
Der Reiter schien auch nicht die erwartete Person zu sein. Aber wie hatte schon sein Mentor gesagt? Schliesse nie auf das was Du siehst, sondern versuche tiefer zu sehen.
Langsam liess Shylock seinen Blick über den Reiter gleiten. Das Schreiben sprach von einer Frau, aber es gab in diesen unsicheren Zeiten auch Frauen, die nicht unbedingt als solche zu erkennen waren. Und diese Frauen waren auch durchaus in der Lage sich selbst zu verteidigen.
Shyylock grinste. Nun, mehr als eine Abfuhr konnte er sich nicht abholen, also stand er auf, und ging zu dem Reiter am Tresen.
Als er näher kam, sah er die Haarfarbe des Reiters. Aha, dachte er, zumindestens stimmt die Haarfarbe.
Als er neben den Reiter trat, verbeugte er sich kurz. "Verzeiht, mein Name ist Shylock. Ich erwarte hier jemanden, dessen Name Sirgal lautet."
Die Stimme war leise und rauh, als die Rückfrage kam: "So? Und was wollt ihr von der Person?" Dunkelgraue Augen, die in dem dämmrigen Licht schwarz wirkten, musterten das Gegenüber.
Treffer, dachte Shylock. Das ist also mein Kontakt zu diesem seltsamen Fest der Drachen.
"Ich wünsche mit dieser Person gewisse Informationen auszutauschen. Da ihr nicht sagt, das ihr nicht Sirgal seid, gehe ich davon aus, das ihr entweder selber Sirgal seid, oder aber einer ihrer Leibwächter, da es sich bei Sirgal um eine Frau handelt."
Shylock verbeugte sich. "Sehr gerne Lady Sirgal. Denn ich glaube, was wir zu bereden haben, ist nicht für alle Ohren geeignet. Nehmen wir meinen Tisch, Lady Sirgal?"
Sie lachte und nahm den Hut ab, strich sich durch extrem kurze Haare - die sich nicht mit seiner Beschreibung decken sollten - und meinte: "Oh bitte. Nicht 'Lady'! Nennt mich Sirgal. Das ist ausreichend." Sie machte eine Geste in Richtung des Tisches, an dem er gesessen hatte und nahm die Satteltasche wieder auf.
Langsam setzte sich Shylock, und nahm die erloschene Pfeife wieder auf. "Wenn es euch recht ist, Sirgal, so würde ich gerne erfahren, wer ihr seid. Da ihr aber auch wissen solltet, mit wem ihr es zu tun habt, würde ich mich gerne erst einmal vorstellen, und euch erläutern, warum es zu dem Treffen von uns beiden kam."
Sirgal stellte die tasche auf einen weiteren Stuhl am Tisch, zog dann die Handschuhe und den Mantel aus und offenbarte, dass da sehr wohl die Figur einer Frau drunter steckte. Über einer grauen Wolltunika, auf der der Bauchschutz lag, trug sie eine noch dunkler graue Wollsourcot, schwarze, lederbesetzte Hosen und das weiche Halstuch, dass sie ebenfalls ablegte, bevor sie platz nahm. "Ja, gern, Master Shylock. Man sagte mir nur, dass ihr gewisse Informationen für mich haben könntet."
"In meiner Heimat habe ich einen gewissen Ruf. Meine Fähigkeit liegt darin, Dinge zu finden und Rätsel zu lösen. Diese Fähigkeit wird oft und gerne von den Handelsherren und den Adligen meiner Heimat genutzt, und sie wird auch gut entlohnt. Vor einigen Wochen erhielt ich nun ein Schreiben, indem ich gebeten wurde, mich mit einer Person zu treffen. Da dem Schreiben eine erhebliche Summe Goldes beilag, reiste ich hin, und traf mich mit dieser ... Person."
Shylocks Stirn legte sich in Falten. Langsam sprach er weiter:"Diese Person war recht seltsam. Es gab keinen Hinweis darauf, ob ich es mit einem Mann oder ein Frau zu tun hatte. Allerdings waren die Unterlagen, die diese Person mir zu lesen gab sehr aufschlussreich..... " Shylocks Stimme erstarb, und schaute Sirgal an. "Verzeiht, wenn ich hier meine Erzählung unterbreche, aber ich habe zuerst eine Frage. Und versteht sie nicht falsch. Aber habt ihr schon mal etwas von dem Fest der Drachen gehört?"
Shylock nickte. "Verzeiht, aber in meiner Heimat ist das ganze ein Gerücht, von dem nur wenige gehört haben. Deswegen die Frage."
Shylock überlegte kurz. "Nun ... die Person gab mir einiges an Unterlagen zu lesen, die sich samt und sonders mit diesem Drachenfest beschäftigten. Als ich sie studiert hatte, wußte ich zwar einiges, aber immer noch nicht, was nun meine Aufgabe sein sollte. Die Person gab mir dann ein Pergament, das einen Mord beschrieb. Den Mord an einen der Drachen; dieser Drache war der stählerne Avatar, Kind des silbernen und des schwarzen Avatars."
Shylock sah Sirgal direkt an. "Mein Auftrag lautet, die Waffe zu finden, durch die der stählerne Avatar zu Tode kam, und heraus zu finden, wer den Mord plante und warum."
Sirgal lehnte sich zurück, stützte eine hand auf der Tischkante ab, die andere ruhte im Schoß. Sie wirkte sicher und entspannt. ihr Blick suchte die Augen ihres Gegenüber, als sie leise zu sprechen begann: "Das Fest der Drachen ist kein Gerücht. Ganz im Gegenteil. Und das, was ihr da als Auftrag erhalten habt, versuchen andere schon seit dem Zwischenfall herauszufinden, als die Stählerne den Grauen verriet und später durch die Hand ihres eigenen Champions getötet wurde."