"Jenseits dieses Waldes fällt das Gelände steil in ein Tal ab, in dem ein Fluss die Länder trennt. Auf dem anderen Ufer beginnt das Land Sel Tac'Zil. Es ist das Reich von Drow. Die Ilythirien, wie sie sich in ihrer Sprache nennen, herrschen dort, auch wenn das Land eine fast nur aus Menschen bestehende Bevölkerung hat." erklärte sie, ohne zu viel zu sagen. "Ich spreche nicht nur die Sprache des dunklen Volkes, sondern auch die der lichten Elben, wenn auch nicht so gut wie De'shineth." Sie schmunzelte. "Mein Orkisch ist noch schlechter."
"Wissen ist nur für einen schwachen Geist gefährlich. Und das Prinzip der Welt ist es, dass das Schwache früher oder später zugrunde geht," sagte sie um seine Frage eingangs zu beantworten. Tha'Risha bestellte einen leichten roten Wein. Zum Rest schwieg sie.
Innerlich fasste sich Shylock an den Kopf. Alles, aber auch wirklich alles, was er bisher als Märchen und Ausgeburten der Fantasie eingeordnet hatte, war anscheinend Wahrheit. Würde Sirgal nun sagen, das es auch noch Zwerge gab, würde er einen Besen verspeisen.
"Sirgal ... ich muß gestehen, das ich aus einem Bereich des Erdenrunds komme, in dem diese ganzen Wesen nur in Märchen auftauchen. Verzeiht, aber für mich ist es immer noch etwas erstaunlich, das es diese Wesen wirklich gibt."
Er schaute Tha'Risha an. "Aber hier sitzt der lebende Beweis, und ihr, Sirgal, seid jemand der mehr weiß, als er zu gibt." Dabei lächelte er Sirgal verschmitzt an.
"Nun Sirgal, es ist an der Zeit, das ich weiter suche. Hättet ihr was dagegen, wenn wir wieder auf unser ursprüngliches Thema zurück kommen? Der Mord an dem stählernen Avatar, der Mordwaffe, und wer dahinter steckt."
"Zuerst wünsche ich euch etwas mitzuteilen." Shylock nahm einen Schluck von dem Cha. Ein ungewöhnlicher, aber ausgesprochen angenehmer Geschmack.
"Wenn wir von den Avataren ausgehen, die ich kenne, so schliesse ich als Drahtzieher zwei von vornherein aus. Der Rote, Herr des Krieges. Es wäre mit seinem Ehrbegriff nicht vereinbar, einen feigen Mord durchzuführen, geschweige denn, ihn zu planen. Auch der Blaue, Herr der Freiheit, fällt heraus. Sein Streben ist auf gar keinen Fall auf Herrschaft ausgerichtet, von daher kann es ihm egal sein, unter welchem anderen Drachen er seinen .... Freiheitsbegriff ausübt."
Sirgal nickte dazu. Auch sie griff nach dem Chai. Der Gewürztee war fein im Geschmack und in Gedanken schoss Sirgal das Rezept durch den Kopf... so ganz konnte sie die Alchemie nie ablegen... '6 Tassen Wasser, 4 Tassen Frischmilch, 6 Kardamomkapseln (ganz, grün), 4 Nelken, 1 Esslöffel Fenchelsamen, 1 Teelöffel Anis, 1 Stange Zimt, ein halber Teelöffel Ingwerwurzel (frisch, feingehackt), 6 Esslöffel Zucker (evtl. weniger, nach Wunsch), 4 Esslöffel Assam-Tee...'
"Bei dem Grünen bin ich mir nicht sicher. Er ist zwar der Herr des Lebens, aber damit auch der Herr des Todes. Sein Status ist einfach .. unsicher."
Shylock achtete sehr genau auf Sirgals Reaktion.
"Damit bleiben folgende Avatare übrig, die meiner bescheidenen Meinung nach für den Tod des stählernen Avatars in Frage kämen. Silber, Schwarz, Kupfer, Gold ... und Euer Herr, der graue Avatar, Herr des Wissens."
"Die Grüne... ja, ich kann mit ihr auch nichts anfangen. Sie ist irgendwie... nicht Fleisch und nicht Fisch." sinnierte Sirgal. "Der Graue... nun, er steht nicht nur für Wissen und Weisheit, sondern auch für das Vergessen. Silber und Schwarz - wie gesagt, sie liegen schon seit urzeiten in alter Rivalität und Kampf. Kupfer - dem trau ich alles zu. Es heißt, er hätte die Waffe geschmiedet. Aber Gold? Kennt ihr die Geschichte vom Esel und den zwei Haufen Heu?"
Shylock lachte schallend. "Diese Geschichte ist wohlbekannt, und zwar, wie es aussieht, in allen Bereichen des Erdenrunds. Aber, vergesst bitte nicht, das der Goldene für den Ausgleich steht. Was würde mehr den Ausgleich zwischen den Drachen gefährden, als ein Drache, der auf einen Seite licht ist, auf der anderen Seite machtgierig wie der schwarze?"
"Die größte Schwäche des Goldenen ist seine unentschlossenheit. Der würde heute noch mit sich hadern, ob er helfen soll, wäre der Rote nicht gewesen..."
Shylock nahm diese Aussage einfach zur Kenntnis. Vielleicht war der Goldene Avatar, Herr des Ausgleichs, wirklich so unentschlossen wie Sirgal es hier beschrieb, aber die Tatsache, das er eben für den Ausgleich stand, war für ihn ausschlaggebend. Für Shylock blieb er erstmal auf der Liste der Drahtzieher.
"Gut, dann lassen wir erst mal den Goldenen aussen vor. Dann zu Silber; für mich ebenfalls dringend verdächtig, da er einfach Angst davor hat, in den Schatten gestellt zu werden von seinem eigenen Kind."
Shylock lächelte dünn. "Sirgal, ich weiß nicht, ob ihr schon mal einen Mörder verfolgt habt, aber lasst euch eines aus meiner Erfahrung heraus sagen; jemand der nach einem Mord am lautesten schreit, versucht eventuell seine eigene Tat damit zu verschleiern."
"Ich habe vom König bis zum kleinsten Schlitzohr mit so gut wie allem zu tun gehabt, was auf dieser Erde kreucht und fleucht...", meinte sie nur und trank ihre Tasse leer.
"Wenn dem so ist, Sirgal, dann werdet ihr mir zustimmen, das der Silberne nicht aussen vor steht. Er kann genauso schuldig sein, wie der Rest."
Shylock trank einen weiteren Schluck von dem Cha.
"Über Schwarz brauchen wir nicht zu reden, genauso wie über Kupfer. Machtgier ist ihr Streben, bis in die letzte Faser ihres Wesens. Damit bleibt Grau, auch wenn es mir leid tut. Grau ist der Herr des Wissens. Und sein Wissen ist es, das ihn verdächtig macht, denn er könnte gesehen haben, das Stahl zu einer Gefahr hätte werden können. Was mich auch stutzig macht, das er dieser ... Sendbotin das Gedächtnis gelöscht hat."