Er sieht das Blut an ihrer Hand. "Ihr seid verletzt..." wie auch immer, er zauberte ein sauberes Tuch aus seiner Tasche hervor und gab es ihr, staunend Amira erkennend. "Lady Amira!"
Sie zwingt sich zu einem tiefen Atemzug, ehe sie sich mit der unverletzten Hand über die Augen wischt. "Spart Euch bitte das 'Lady'...", entgegnet sie leise und nimmt das Tuch entgegen, "...Danke..." Sie leckt ihr Blut von der Wunde und schlägt dann das Tuch darum, damit sie sich die Kleidung nicht völlig vollsaute und der junge Mann vor ihr sich nicht komplett blöd vorkam. Wortlos schaut sie ihm kurz in das Gesicht, kann es namentlich jedoch nicht einordnen. Dass er sie offenbar zu kennen scheint, wundert sie nicht- machten seit der 'Drachenjagd' und ihrem 'Beinahetod' doch die wildesten Gerüchte über ihre Person die Runde.
Aus einem Impuls heraus schaut sie in die Richtung aus der sie gekommen war. Auch wenn sie ihre Nachtsicht nun nicht mehr aktiv nutzte und der Tag sich noch nicht ankündigte, konnte sie trotzdem noch mehr erkennen, als die meisten anderen Menschen. In der Entfernung sieht sie eine Gestalt sich langsam humpelnd entfernen und sie weiss, dass es Falk sein musste. "...Was soll's schon...Ausser ihm habe eh nichts mehr zu verlieren...", murmelt sie zu sich selbst, ehe sie sich wieder zu dem hilfsbereiten Grabenkämpfer umdreht. "Ich bringe es Euch später zurück.", meint sie und hebt die Hand mit dem darumgeschlungenen Tuch, "Oder Ihr holt es Euch wieder..." Dann leiser: "...je nach dem, wie das hier ausgeht..."
Sie macht auf dem Absatz kehrt und sprintet den Weg zurück. Den humpelnden Mann hatte sie schnell eingeholt. Unmittelbar hinter dem Krieger bleibt sie stehen. "Bitte sag' mir, was es damit eben wirklich auf sich hatte oder bring' es gleich zu Ende.", verlangt sie mit leiser trauriger Stimme, "...Oder beides...such' es Dir aus..." Dann tat sie etwas, wozu sie sonst niemand zu keiner Zeit jemals hätte zwingen können. Wenn Falk sich umdreht, blickt er auf Amira herunter, wie sie langsam fliessend auf ein Knie herunter geht und zeitgleich ihre Klingen zieht. Kurz schaut sie ihm in die Augen und er würde sehen können, dass sie geweint hatte, dann senkt sie den Kopf und hält ihm beide Dolche mit dem Griff voran auf offenen Handflächen entgegen. Ein winziger Funke tief in ihrem Inneren hielt die Hoffnung am Leben, dass vielleicht doch alles nur ein furchtbares Missverständnis war. "...Ich will Dich nicht verlieren...", geht es ihr durch den Kopf, wagt es im Moment jedoch nicht auszusprechen; doch ihr Verhalten spricht dagegen eine mehr als deutliche Sprache und sie hofft, dass ihr Gegenüber das erkennen würde...
Sein Gesicht ist hart, bitter. Tiefe Linien sind darin, die es vorher nicht gegeben hat. Scheinbar ist Schnee in seinem Gesicht geschmolzen, denn es ist nass... Wie vom Donner gerührt hörte er zuvor die näherkommenden Schritte, wollte weitergehen... doch etwas ließ ihn innehalten. Seine Stimme ist rauh, als er knapp sagt: "Es galt die Kampftauglichkeit Deines Kleides herauszufinden, was Du selbst angeregt hast. Ich war dumm genug, den Auftrag anzunehmen."
Sie verharrt reglos in ihrer Position. Einzig ein 'halbherziger' Atemzug verrät, dass sie wohl wieder nah am Wasser gebaut ist. "Wer?", fragt sie mit brüchiger dünner Stimme, jedoch nicht vor Kälte zitternd, "Wer wagt es?"
Sie zwingt sich, tief durchzuatmen. Dann winkelt sie die Hände leicht quer, sodass beide Klingen in den Schnee fallen. Unendlich langsam hebt sie den Blick. Traurige Miene, feuchte Augen, nasses Gesicht. "...Wer?...", fragt sie beinahe flüsternd, wobei ihre Augen zu flehen scheinen. "Bitte geh' jetzt nicht weg."
Etwas in ihrem Blick verhärtet sich, wird zu Eis, doch Amira sagt nichts- trotzdem sollte Falk klar werden, dass ein gewisser Captain nun ein gewaltiges Problem haben würde, wenn Amira ihn in die Finger bekäme...
Sie zittert. Ihr Blick hängt lange Minuten in den Augen des Kriegers. Dann lässt sie wieder den Kopf sinken. "...Ich habe eben wohl ziemlichen Mist gebaut...", raunt sie heiser, immer noch vor Falk knieend. "...Ich...wollte Dich nicht verletzen...ich...kann verstehen, wenn Du jetzt nicht mehr...wenn Du jetzt gehst...", fügt sie nur noch mühsam beherrscht hinzu, "...Aber ich..." "...will Dich nicht verlieren...", vervollständigt sie den Satz innerlich. Äusserlich bricht sie ab, fürchtend, es noch schlimmer zu machen, als es eh schon war. Falk sollte sie soweit kennen, dass wenn sie wirklich Willens gewesen wäre, ihn endgültig zu Fall zu bringen, sie spätestens bei der Attacke auf sein Knie, die Klinge anstatt den Griff verwendet hätte...
Inzwischen war das Tuch um ihre Hand gründlich durchgesuppt und Amira würde wohl um eine Naht nicht herumkommen. Sie legt die unverletzte Hand über die Wunde und drückt die Blutung ab, wobei sie beide Hände zeitgleich an ihren Oberkörper presst und sich- nun ganz auf den Knien- zu einem 'Ball' zusammenkrümmt. Jeglicher Stolz war vergessen. Alles verlor an Bedeutung, bis auf Eines...und das stand gerade vor ihr... "...Bitte...", haucht sie kaum hörbar in die Stille.
Sie zuckt merklich zusammen, als Falk sie am Arm packt. Vergessen scheinen die sanften Berührungen. Sie konnte es ihm nicht verdenken. Widerstandslos lässt sie sich auf die Beine ziehen. Die Dolche bleiben vorerst im Schnee zurück- gut möglich, dass Kyrillas darauf stossen würde, wenn er hier vorbeikam. Amira hatte ihn jedenfalls nicht bemerkt, als er sich auf das Tor zubewegte. Sie war garnicht richtig da. Ihre Miene wirkt teilnahmslos. Ihr Blick schmerzvoll. "Toll gemacht, Amira- das hast Du gründlich vergeigt!", geht es ihr durch den Kopf.
Falk hatte sich in der kurzen Zeit sehr in Amira verliebt, etwas, dass er nicht für möglich gehalten hatte. Nicht nach dem, was seiner Frau angetan worden war, nicht nach dem, was ihm selbst danach geschehen war. Amira hatte es geschafft, den Panzer aus Eis und Stein aufzubrechen, in dem er sein fühlendes Herz verborgen hatte. Umso tiefer hatte ihn das Geschehen verletzt - und umso schwerer wog es.
Als er sie unter den Arm griff und auf die Beine zog, wollte er ihr nicht wehtun, im Gegenteil. Die stark blutende Wunde musste versorgt werden, und er selbst vermochte es grade nicht. Er brachte sie ins Lazarett, wo er dem dortigen Heiler gründlichst auf die Finger sah, als der die Wunde reinigte und nähte.
Der Grabenkämpfer, der Amira erkannt hatte, war nicht Kyrillas gewesen, dem aber recht ähnlich. Er war Amira nachgegangen, als sie weglief, um zu sehen, ob alles in Ordnung war. Er hob ihre Dolche auf, nahm sie an sich, trocknete sie und verwahrte sie sicher. Er würde sie dem Gouverneur übergeben.
Amira hatte während der ganzen Prozedur nicht ein Wort gesagt. Weder, als der Heiler die Wunde reinigte, noch als er sie nähte. Entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit, hatte sie einfach ins Leere gestarrt- normalerweise hätte sie wahrscheinlich den Heiler zusammengeschissen, dass er gefälligst aufpassen und schneller machen sollte, doch der physische Schmerz vermochte im Moment nicht zu ihr durchzudringen. "...Was habe ich nur getan?...", haucht sie tonlos und mehr zu sich selbst, als man ihr einen Verband anlegte.
Falk hatte es gehört, doch sogar das tat weh. Als Amira versorgt war, strich der Krieger ihr mit zitternder Hand durch die Haare, dann wandte er sich wortlos ab und verließ zügig den Raum.
Dass er ihr über das Haar strich, löste eine Reaktion aus, die sie nun beim besten Willen nicht mehr kontrollieren konnte. Tränen rannen ihr Gesicht herab. Als Falk gerade zur Tür raus ist, hält sie es nicht mehr aus. Amira springt auf und stösst dabei den Stuhl um, welcher laut klappernd auf den Boden fällt. Mit schnellen Schritten folgt sie dem Krieger auf den Gang hinaus. Sie war sich nicht sicher, was sie tun könnte. Sie handelte rein instinkiv, als sie ihn von hinten umarmt. "...Bitte geh nicht...", flüstert sie leise und schmiegt ihr Gesicht sacht an seinen Rücken.
Er bleibt wie erstarrt stehen. Damit hatte er nicht gerechnet. Es waren harte Worte, die er auf der Zunge hatte, harte Gedanken, was er tun wollte, die sich seiner bemächtigten - doch weder handelte er, noch kam ihm ein Laut über die Lippen.
Er stand nur da, starr, das zweite mal in seinem Leben so hilflos, dass er nicht wusste, was er tun sollte.