Wut, schnelle heisse Wut, ist Amira ebenso geläufig. Doch sie erachtet sie als weitesgehend nutzlos. Es sind schliesslich zwei grundverschiedene Dinge, wenn man auf der einen Seite wütend wurde, weil einem jemand auf den Fuss getreten war; oder wenn man auf der anderen Seite wütend wurde, wenn jemand, der einem nahe stand, einen verriet. Der Grat zwischen 'normaler' Wut und tiefem Hass ist äusserst schmal und erstere macht einen oft blind im Eifer; letztere jedoch war gefährlich, da man zum planen neigt, ehe man eine Aktion ausführt...
Miri zuckt mit den Schultern "Ich muß nicht zwangsläufig jemand hassen um durchs Leben oder ans Ziel zu kommen. Derjenige der hasst, gibt dem gehassten Objekt viel Aufmerksamkeit, mehr als es manchmal verdient. Manchmal blockiert Hass auch, da er den Blick verstellt. Ich kann aber verstehen, das man mache Kränkungen und Verrat nicht vergessen kann."
Amira schnaubt verächtlich. "Das mag in einem Grossteil der Fälle stimmen.", stimmt sie mit einem leichten Zischen in der Stimme zu, "Wenn mich jemand eine blöde Kuh schimpft, dann juckt mich das nicht im Geringsten." "Doch wenn es um Verrat geht, verhält es sich anders, das muss ich durchaus zugeben.", fährt sie mit zunehmend kalter Stimme fort, "Was weisst Du über Verrat? Hm?" Miri konnte froh sein, dass sie Amira's Augen verbunden hatte, denn der Blick, der ihnen nun innewohnte, hätte ihr womöglich das Blut in den Ader gefrieren lassen...
" Anscheinend nicht so viel wie du " fügt sie ziemlich ungerührt hinzu "aber es muß heftig gewesen sein, wenn du schon bei der blosen Erwähnung derart an die Decke gehst.!"
"Sag', hast Du einst geliebt?", fragt sie ihr Gegenüber mit immer noch kalter Stimme, in die sich ein leichtes Zittern zu mischen scheint, "Hast Du einst voll und ganz vertraut? Hast Du die Warnungen Deiner Instinkte ignoriert in der naiven Hoffnung, dass Deine innere Stimme Unrecht hat? Standest Du je vor der Entscheidung 'er oder ich'? Nein? Dann kannst Du Dich wahrlich glücklich schätzen..." Amira schweigt einen Moment lang und atmet tief durch, um nicht die Beherrschung zu verlieren.
"Nein, da habe ich nicht" antwortet Miri leise "der Schmerz meines Vaters war mir wohl Warnung genug" Sie ist sich selbst nicht richtig im Klaren dabei, ob sie da etwas vermisst oder ob sie eher froh ist, das ihr diese Erfahrung fehlt.
"Dann sei dankbar dafür. Ich habe oft gejagdt und getötet und mich nie dafür schämen müssen.", entgegnet Amira mit kalter, leise Stimme und beugt sich zu Miri heran, "Doch glaube mir, dieses eine Leben hätte ich lieber nicht genommen, wenn es nicht hätte sein müssen, um das meine zu wahren."
" Seltsam, wie sich Menschen, die man zu kennen vermeint, verändern können. Aber vieleicht wünscht man sich manchmal auch nur, der Gegegenüber wäre so, wie man es sich denkt." Miri blickt nachdenklich ins Feuer.
"Ein wahres Wort.", stimmt Amira bitter zu. "Es ist irgendwie wie ein Spiel mit dem Feuer, nicht wahr?", fährt sie leise fort, "Mal geht es gut und mal verbrennt man sich die Finger, um es mal harmlos auszudrücken."
"So ist es doch meist im Leben" Miri seufzt und lehnt sich zurück, " Sich mal Finger verbrennen ist schon ok, wenn man dabei was lernt." Sie grinst schief als sie auf ihre Finger guckt, welche im Dunkeln noch eine leicht blaue Aura zu umgeben scheint. Ein Teil von ihr beschäftigte sich immer noch mit der blauen Flamme. "Ich glaube, das ist wie mit dem schwimmenlernen, erst kommt einem das fast unmöglich vor und wenn man es kann, hält man es für die selbstverständlichste Sache der Welt." sagt sie mehr zu sich selbst.
"So ist es in der Tat.", pflichtet Amira ihr bei, "Früher...als ich noch ein Kind war...gab es viele Dinge, die ich für unmöglich gehalten hatte, weil sie mir zu gewaltig oder zu kompliziert erschienen waren, als das ich sie zu dem Zeitpunkt hätte begreifen können...Doch mit der Zeit kam das Wissen um diese Dinge und nun erscheinen sie mir vollkommen normal."
Wird das Schimmern um ihre Finger intensiver oder bildet sie sich das nur ein? Miri schaut zu Amira....schade, das von ihr in dieser Frage zur Zeit keine Antwort zu erwarten ist. Statt dessen fragt sie "Wie geht deine Reise jetzt weiter? Gehts nach Hause ..wo auch immer das ist, oder habt ihr noch mehr vor?"
"Nach Hause...Ja...", antwortet Amira und ein leichtes Lächeln umspielt dabei ihre Lippen. "Das ist zumindest für den Moment der Plan. Aber man weiss ja nie, was Einem unterwegs noch wieder alles dazwischen kommt.", fährt sie im Plauderton fort, "Und selbst? Wohin soll's denn gehen?"