Amira grinst. "Frag' Tha'Risha- Du bist ihre Schülerin.", sie legt schmunzelnd den Kopf schief, "Oder hat sich da inzwischen wieder was geändert und mir hat keiner einen Ton gesagt?" Bei Miri's Ausführungen in Sachen 'Familie', ist Amira einen Moment lang ein wenig bedrückt. Einen Augenblick lang schweifen ihre Gedanken ab. 'Familie', sowas hatte sie eigentlich nie wirklich gehabt- zumindest nicht im traditionellen Sinne mit blutsverwandten Personen. Sie hatte früh lernen müssen, sich etwas zu nehmen, wenn sie es wollte, bevor ihr jemand anders zuvor kam. Der tägliche Kampf darum, sich selbst nicht aufzugeben...die Hoffnung nicht zu verlieren, dass es eines Tages auch anders sein könnte. Dieser Tag kam tatsächlich irgendwann und Amira hatte die Zeit mit ihrem Meister sehr genossen, denn zum ersten Mal in ihrem Leben wurde ihr das Gefühl gegeben, wichtig zu sein und nicht vollkommen nutzlos...
Tha'Risha hatte die ganze Zeit nur stumm gelauscht und ihren eigenen Gedanken nachgehangen. Wenn Amira wüsste, wie ähnlich sich die beiden waren... Auch sie hatte nie eine richtige Familie gehabt, in der sie aufwuchs. Sie hatte sich das, was sie später hatte mühsam aufgebaut, erkämpft um es dann wieder aufzugeben. Und was ihre Meisterin betraf - daran wollte sie lieber gar nicht denken, da es Gefühle heraufbeschwor, die sie im Moment nicht haben wollte.
Umbewusst war ihre Hand bei ihren trüben Gedanken wieder zur dem Ring um ihren Hals gewandert; dabei berührt sie auch das aufgesägte Muschelhaus, welches an dem selben Band hängt und einen Moment lang, lächelt Amira sanft. Sicher, Bakal war tot und unwiederbringlich fort, doch es gab mittlerweile Andere in ihrem Leben, die für sie sehr wichtig geworden waren...
" Nein, das hat es nicht " antwortet Miri " ich muß fünf Sprüche auswendig lernen. Es ist nur manchmal schwierig, wiede in die Rolle einer Schülerin zu schlüpfen. Aber so ist das nun mal, wenn man einen neuen Lebensweg einschlägt." Sie seufzt und fährt fort " Auch die Beziehungen in einer Familie sind nicht in Stein gemeiselt, manchmal ändern sich Dinge schneller als einem lieb ist und vertrautes kehrt sich gegen einen. Manchmal sind Freundschaften haltbarer als familiäre Bande, auch wenn es heist *Blut ist dicker als Wasser *.
"Das ist richtig...Manchmal wenden sich jene gegen einen, von denen man es am Wenigsten erwartet...lassen einen sehenden Auges in die Klinge rennen...", entgegnet Amira mit einem Anflug von Bitterkeit in der Stimme, welche vermuten lässt, dass ihre Aussage durchaus wörtlich zu nehmen ist, "Man lernt eben nie aus..."
" Schwierig, nach solchen Erfahrungen nicht zu verbittern. Im Laufe der Jahre wird das Säckchen immer voller, das man mit sich rumschleppt, es sei denn man .....oder besser Frau .." fügt Miri, wieder grinsend hinzu " zieht ihre Konsequenzen daraus."
Wie wahr. Tha'Risha seufzte. "Man bekommt nie mehr als man tragen kann," sprach sie recht leise. "Doch wenn zwei Herzen in einem schlagen, man aber in keiner der beiden Welten wirklich zuhause sein darf..." Sie wandte sich ab, als ihr Blick auf eine der Augenpflanzen traf, die scheinbar gerade einen Farbwechsel durchmachte.
Miri folgt Tha'Risha´s Blick. `Seltsames Land`denkt sie, als ihr Blick an einer Pflanze ^ ^ `Pflanze ???` hängenbleibt. Leise sagt sie zu den beiden " Meine Mutter war auch eine Fremde, als kleines Kind habe ich mich manchmal gewundert, warum die Gespräche verstummt sind, als sie erschien. Sie tat immer als wenn sie es nicht bemerken würde, aber ich glaube, es hat sie manchmal verletzt. Sie hatte in meinem Vater die große Liebe gefunden und das hat sie viel ertragen lassen. Mein Vater war geachtet und daher hat sich auch nie jemand getraut etwas offen gegen seine Frau zu sagen, aber alleine die Tatsache,das sie lesen und schreiben konnte, etwas, was nicht mal unser Priester wirklich beherrschte, machte sie vor den Augen der meisten suspekt."
Bei Miri's Aussage machte Amira sich so ihre Gedanken. Auch sie wurde als Kind vor der Zeit bei ihrem Lehrmeister von vielen in ihrer Umgebung als 'suspekt' empfunden- allerdings lag dies vielmehr an ihren unterschiedlichen Augen; das eine Rotschwarz, das andere Dunkelbraun. Und sie hatte schon sehr früh lernen müssen, was das bedeuten konnte. "Die meisten Menschen reagieren mit Argwohn auf die Dinge, die sie nicht verstehen...", kommt es sehr leise von Amira, "...Argwohn wird oftmals zu Furcht...und Furcht wird dann sehr schnell zu Hass...und Hass...Hass zerstört..."
Tha'Risha schnaubte nur, als sie Amiras Worte vernahm. Die kleinen Federn an den Ohren wackelten. "Hass begegnet man mit Stärke!" Sie stand auf. "Und wenn man stark genug ist, ist auch Hass nur eine weitere Emotion." Sie wandte sich zu Amira und sah sie an, lange und nachdenklich. Ihr Blick hatte etwas verstehendes. "Und dann fängt man selbst an zu hassen. Wut - sie kontrolliert einen, frisst einen auf, wendet sich gegen einen. Manchmal dauert es ein ganzes Jahrhundert, dies zu verstehen."
Amira hebt den Kopf und dreht ihn zu Tha'Risha und obwohl sie die Augen verbunden hat, scheint es so, als würde sie sie ansehen. "Es mag stimmen, was Du sagst, und doch kann ich es nicht beurteilen, da mein Leben bisher nicht so lang währt.", entgegnet sie mit fester Stimme, "Ich für meinen Teil habe gelernt, diesen Hass zu nutzen und in, für mich, nützliche Bahnen zu lenken. Diese Energie kann manchmal ein wertvoller Verbündeter sein, auch wenn sie nur schwer zu kontrollieren ist."
Nachdenklich lauscht Miri den beiden. Hass, bösen, kalten, vernichtenden Hass,nein, den kennt sie nicht, wohl aber Wut, schnell und heiß wie Feuer und genau so zerstörerisch.