Hrothgar wusch sich, packte die Satteltaschen aus, und legte mehrere Dutzend Seiten Pergament auf den Tisch. Dann setzte er sich hin, und fing an zu schreiben.
Am Dritten Tag hörte man bereits am frühen Morgen donnernden Hufschlag auf dem Weg. Es klang, als würden sich viele Pferde nähern... Der Morgen war hell und sonnig, doch es war kalt. Die neunte Stunde war grade angebrochen.
Hrothgar saß gemütlich beim Frühstück, als er den Hufschlag hörte. Langsam genoss er seinen Tee. Wenn das Sirgal ist, dann werde ich jetzt alle Kraft brauchen, um sie von meinem Plan zu überzeugen, dachte er bei sich. Dann nahm er noch eine Scheibe Brot, und bestrich sie mit Butter und Honig.
Die Schankstube war sonnendurchflutet und durch die Fenster konnte man bald sehen, was da kam. Ein Reiter mit Dreispitz, in dunklem Mantel und mit einem Handpferd dabei - bepackt und in vollem Tempo. Das Reitpferd steht noch nicht ganz, das springt der Reiter aus dem Sattel, federt tief ins Knie und lässt den Zügel einfach fallen - die Tiere stehen. Der hochgeschlagene Kragen und das dicke Leder darunter lassen nur einen kurzen Blick auf einen blutigen und mehrfach genähten Gambeson zu, der verschlissen wirkt. Ein Schwert an der Seite des Reiters lässt keine Zweifel übrig, dass der damit umzugehen wusste - und dass er es nicht erst seit gestern trug. Schwere Stiefel und dicke Handschuhe komplettieren das Bild des Reiters in Schwarz. Unter dem Dreispitz liegt ein schwarzes Tuch um den Kopf und ein Bartschatten lässt auf einen längeren Ritt schließen. Die Tür wird mit einem Fuß geöffnet und eine leise, rauhe stimme sagte: "Ein Schluck aus meiner Flasche..."
Hrothgar schaute auf. Die Stimme war zwar rauh, aber unverkennbar. Langsam kaute er den letzten Bissen des Brotes durch, und spülte mit dem Tee nach. Dann stand er auf, und sagte zu Mika: "Meister Mika, seid so nett und legt ein zweites Gedeck für unseren Gast auf. Und bringt den Tee, den Sirgal so gerne trinkt, ich glaube, nachdem Du Dich frisch gemacht hast, freust Du Dich über ein gutes Essen."
Ein kurzer Blick, kein Ton. Da war wirklich Bart auf dem Kinn. Haare - keine Farbe. Ein kurzes, verächtliches Schnauben, dann ein Glas in einem Zug geleert und der Reiter verschwand nach draußen.
Hrothgar lachte. Beim Blauen, ich werde wohl alt und mein Gehör läßt mich im Stich. Er setzte sich wieder. "Ach Meister Mika, ich werde wohl alt" lachte er. "Da dachte ich doch wirklich, das wäre die Stimme von Sirgal gewesen."
Da waren keine weiblichen Rundungen gewesen. Kein federnder Schritt, sondern ein hartes Poltern und schwerer Auftritt rechts, um links zu entlasten....
Hrothgar grinste. Und erinnerte sich an den Ausbruch, den Sirgal in Weltenwacht hingelegt hatte, als sie Mae nach ihrer Gefangennahme ins Gebet genommen hatte. Sie war nicht nur Grau, da waren viele rote Punkte auf ihrer Seele.
"Oh ja Meister Mika, ich habe sie erlebt. Aber sagt, wie gut kennt ihr Sirgal?"
"Ich kenne sie seit fünf Jahren. Ob Gut oder nicht - das kann ich nicht beurteilen. Warum?" Er kam mit Tee an den Tisch und brachte ein Fell, dass er auf den Stuhl Hrothgar gegenüber legte, sowie einen Hocker den er heranzog und seitlich nach links zum Stuhl stellte.
"Weil ich bei einigen Dingen, die ich mit Sirgal erlebt habe, mehr als einmal erstaunt war über Sirgal Meister Mika. In dieser Frau steckt viel mehr, als man auf den ersten Blick erkennen vermag, und ich bin nun wirklich nicht leicht zu überraschen." Hrothgar lächelte. "Ich mag diese Frau, und ich würde ihr gerne weiterhin zur Seite stehen, aber dann muß ich ein wenig mehr über sie wissen, als ich es bis jetzt tue."
"Sie sagte bei unserem letzten Treffen hier, das sie momentan in ihrer Heimat nicht gut gelitten sei, was mich ehrlich gestanden gewundert hat. Wißt ihr etwas darüber, was Sirgal gemacht hat, um die Herrschenden hier zu verärgern?"
"Zunächst mal - dies hier ist freies Land und nicht Sel Tac'Zil. Was genau vorfiel, weiß ich nicht, aber es hängt wohl mit ihrem Freiheitsdrang, dem Schiffsunglück und ihrem langen fortsein zusammen."
Hrothgar hob die linke Augenbraue. Ein Schiffsunglück? Mit welchem besoffenen Käptn mußte Sirgal da unterwegs gewesen sein, um so etwas zu erleben? Die Gewässer hier waren gut kartographiert, und selbst ein Anfänger konnte hier gut segeln. "Wo und wann ist dieses Schiffsunglück geschehen?"