Hrothgar murmelte etwas; es hörte sich nach einer ziemlich üblen Beschimpfung an, aber die Sprache war selbst Sirgal unbekannt. Dann seufzte er, und kniete vor Sirgal nieder. "Ehrwürdige Legendenweberin Sirgal, ich bitte hiermit demütigst um Verzeihung, das ich meine Worte auf eine Art und Weise gewählt habe, das sie ihr falsch verstanden habt. " Aus dem Schnitt an der Kehle sickerte immer noch ein wenig Blut, und das Hemd war inzwischen mehr oder weniger rot gefärbt.
Sirgal ignorierte den Schnitt - er war vielleicht unangenehm, aber nichts, was ihm wirklich Schaden konnte. Auch seinen Apell schien sie nicht wahrzunehmen. er war falsch, nicht aufrichtig - und dass er sich dabei seinen Teil dachte, war mehr als offensichtlich.
Hrothgar seufzte, stand auf, und setzte sich. Dann öffnete er seine Tasche, zog aus dieser ein kleines Fläschchen heraus. Dieses öffnete er, und nahm mit der Fingerspitze ein wenig von der Salbe heraus. Damit strich er sich vorsichtig über den Schnitt. Innerhalb von Sekunden verheilte der Schnitt.
Dann sah er Sirgal an. Leise sagte er: "es geht mir um Weltenwacht, und ich sehe in Mae eine Gefahr für Weltenwacht. Sie ist von Sinnen wegen ihrem Sohn, und ich weiß nicht, ob sie ihre Kraft nicht doch gegen Weltenwacht einsetzt. Und was wird dann aus dieser Stadt?"
"Wenn Mae jetzt hier, in diesem Moment, durch die Tür käme ... was würde passieren? Glaubst Du wirklich, das Du ihr jemals wieder unter die Augen treten kannst?" Hrothgar schaute Sirgal in die Augen. "Ich weiß, es ist unhöflich, eine Frage mit einer Gegenfrage zu beantworten, aber wenn man es genau nimmt, ist das Band der Freundschaft zwischen euch zerrissen ... ich wage sogar zu behaupten, das Mae nie wieder zu den Legendenwebern zurück kehren wird ... und egal welche Beweise man ihr vorlegt, was für ein abscheuliches Spiel der Kupferne spielt, sie will es nicht verstehen, weil sie nur noch ihren Sohn vor Augen hat."
"Es gibt immer Hoffnung! In jeder zeit, in jeder Welt. Auch mae ist nicht verloren. Aber es gibt Dinge, die Du nicht weißt. Und diese Dinge wiegen schwer. Mae steht zwischen Inat und uns. Sie ... wird sterben. Wenn es so weit kommt, wird sie mitnehmen, was sie kann. Jeden, alles. Nur um ihn zu schützen. Dies mag Öl in das Feuer sein, dass Du schürst, aber bedenke - keinem steht zu, Leben leichtfertig zu nehmen, nur um Pläne durchzusetzen. Ich weiß nicht, was die Kaiserin Dir sagte. Ob sie Dir dankte... aber es gibt so unendlich große Zusammenhänge, die die alte und die neue Welt verbinden, dass ich sie kaum in Worte fassenkann. Doch erkäre Dich erst. Erläutere Deinen Plan."
„Die Kaiserin habe ich nur einmal gesehen, und sie ehrte mich. Als ich einen Weg in Weltenwacht entlang ging, kam sie mir entgegen, nur den Zwergenkrieger in ihrem Beisein. Ich tat, was man als einfacher Seemann in Gegenwart solch eines Wesen tun sollte, ich kniete nieder und beugte mein Haupt. Sie sprach mich an, dankte für meine Anwesenheit. Aber die Traurigkeit in ihren Augen verschlug mir die Sprache….. „ Hrothgar schien in Gedanken weit weg zu sein. Dann zuckte er zusammen, und er nahm die Gegenwart wieder wahr.
„Hoffnung ist etwas, das zuletzt stirbt. Und glaub mir bitte Sirgal, ich habe in Augen gesehen, in denen die Hoffnung gestorben war. Diese Augen sehnten nur eines herbei, den Tod. In ein paar dieser Augen konnte ich wieder die Hoffnung pflanzen, aber nur, weil ich Wagnisse eingegangen bin, die andere scheuten, denn diese Wagnisse ging gegen die Herrscher dieser Landstriche.“
Hrothgar griff in die linke Tasche seiner Weste, zog eine lange, schmale Tabaksrolle hervor, die er an der Kerze auf dem Tisch entzündete.
Langsam atmete er ein, und behielt lange den Rauch in den Lungen.
„Sirgal, Du willst wissen, was ich plane. Zuerst will ich Dir sagen, das ich Mae, bevor sie erkannte, wer Inat Laronn ist, singen hörte. Und ihr Lied rührte mich, denn sie sang, als ob der Blaue persönlich ihre Stimme berührt hätte. Niemand, der nur an Land gelebt hat, kennt dieses Gefühl. Dieses Gefühl der unendlichen Freiheit, das der Blaue über die See singt. Egal, ob sie ruhig und sanft da liegt, eine leichte Brise das Schiff voran treibt, oder ob sie stürmisch wie eine lang vernachlässigte Frau über das Schiff kommt. Es gibt keinen Seefahrer, der nach kurzer Zeit an Land dieses Lied vermisst, und sich nach ihm sehnt.“ Aus Hrothgars Augen sprühte bei diesen Worten ein Licht; ein Licht der Begeisterung, der Leidenschaft, der Sehnsucht. "Ich kenne nur wenige Seefahrer, die lange an Land blieben; und selbst diejenigen, die nach zahlreichen Jahren auf See für immer an Land blieben, starben, weil das Lied sie nur noch vom Strand aus berührte."
„Sirgal, mein Wunsch ist es, Weltenwacht so lange wie möglich vor der Vernichtung zu bewahren. Denn ich hörte ein Gerücht, das von den Schwestern und Brüdern der See lanciert wurde, das der Blaue in Weltenwacht erwacht sei. Und Bruder Sotun, der General der Silbermasken, bestätigte es mir als ich als Unterpfand im Legat blieb und Du in Schlacht gingst … aber was hätte ein gerade geborener Drache einer solchen Macht, wie sie Mae verkörpert, entgegen zu setzen?“ Bei dieser Frage liefen Hrothgar Tränen aus den Augen. "Ich kann und will mir nicht vorstellen, was passieren könnte, wenn Mae und ihr durch und durch verdorbener Sohn Macht über das Lied des Blauen gewinnen würden.... eher würde ich die "Blaue Schwingen" auf dem Meer in die Luft jagen!!!"
„Vergib mir Sirgal, aber ich folge dem Blauen, wie ich auch dem Grauen folge. Aber … was würdest Du tun?“
Sirgal hörte ihm aufmerksam zu. Wenn er nicht so von sich eingenommen wäre, hätte er ein guter Freund werden können. So aber war sie sehr vorsichtig und traute ihm nicht über den Weg.
Als er von der Kaiserin sprach, erinnerte sie sich daran, als Allister und Viktor sie nach der finalen Schlacht in Richtung der Kinetikergilde fast hinaufschleiften und die Kaiserin zu ihnen trat. Wie sie ihnen dankte - und dann, zu Sirgals tiefstem Erschrecken, sich vor ihnen verbeugte.
Still lauschte sie weiter und meinte dann: "Zunächst - das Lied, das Du hörtest, stammt nicht von Mae. Sie singt es aus der Erinnerung. Cuirina schrieb es. Ihre jetzige Inkarnation."
Hrothgar nickte. "Ich hoffe es gibt eine Gelegenheit, diese Cuirina zu treffen, wenn ich auf dem Fest der Drachen bin. Und ihr zuzuhören; ihr wisst, das ich das Fest nur kurz besuchen kann, denn ich habe vorher noch eine Aufgabe zu erledigen."
"Sirgal, Du nennst das, was ich tue, ein falsches Spiel. Du fragst, wie Du jemals wieder Mae unter die Augen treten könntest. Wenn ich mich richtig erinnere, hast Du in der letzten Schlacht Inat einen Dolch in die Brust gerammt, also Maes Sohn zumindestens schwer verletzt. Glaubst Du ernsthaft, das Du Mae überhaupt jemals wieder unter die Augen treten kannst, nachdem Du das getan hast? Ich tippe eher darauf, das Mae, sollte sie Dich irgendwo sehen, alles daran setzt, Deiner habhaft zu werden, um Dich dann sehr langsam und extrem schmerzhaft vom Leben zum Tode zu befördern."
Hrothgar seufzte. "Aber lassen wir das. Du bist zwar Teil des Planes, aber es wird so aussehen, als ob man Dich dazu gezwungen hat. Du wirst keinerlei Schuld tragen, ich werde schon dafür sorgen."
Sirgal sah hin plötzlich sehr müde an. "Was ich tat, hat sich direkt gegen Inat gerichtet. Nicht gegen Mae." sagte sie dunkel. "Ich werde ihn immer, überall und wie ich kann, bekämpfen. Dazu ist er schon zu lange mein Gegner. Und jetzt erst recht, nach dem, was er ihr antat und ihre Seele verlockte und band." Sie machte eine kleine Pause. "Teil eines Planes zu sein, der sich gegen Mae richtet, ist etwas anderes, denn ich würde meine Schwester direkt, willentlich und bewußt hintergehen um sie zu benutzen." Wieder sah sie Hrothgar eindringlich an, denn sie vermutete, er würde ihre Beweggründe nicht nachvollziehen können. "Beschreib, was Du genau vorhast. Sollte ich von Deiner hand sterben - oder es zumindest so aussehen, wird dich das in größere Schwierigkeiten bringen, als Du denkst."
Hrothgar schüttelte den Kopf. "Du wirst 'sterben' aber auch wieder nicht ... wie soll ich das beschreiben? Bei einer Sturmfahrt wurde mein Schiff weit von den bekannten Routen abgetrieben. Als wir endlich aus dem Sturm heraus waren, war uns das Glück hold, achteraus lagen Inseln. Wir landeten an, und fanden sogar Menschen. Diese nahmen uns freundlich auf, halfen uns bei der Ausbesserung der Schäden, gaben uns Essen und Wasser. Meine Bord - Heilerin tauschte sich mit dem Schamanen aus, und erfuhr dabei von einem Gift, das einen Menschen regelrecht 'sterben' lässt... Kein Herzschlag, keine Atmung, alle Anzeichen des Verfalls des Körpers. Gibt man aber ein weiteres Gift auf die Lippen des Vergifteten, dann wacht er innerhalb von ein paar Minuten wieder auf ... "
Hrothgar schaute etwas dumm aus der Wäsche. "Da müßte ich Nariko fragen, sie ist die Bordheilerin, aber ich meine mich zu erinnern, das eine Art Orchidee war ... "
"Orchideen haben kein so starkes Gift. ... Mae wird nie zulassen, dass sie gegen ihn benutzt wird", gab Sirgal dann zu bedenken. "Ich denke, sie wird sich eher selbst entleiben, als dass sie zum Grund für Inats handeln wird..."