"War ja klar.", grummelt Amira wieder, "Wäre ja auch zu einfach gewesen." Sie steht auf, verschränkt die Arme vor der Brust, wobei sie einen Zeigefinger an die Lippen legt, und beginnt langsam auf und ab zu wandern. "Wenn ich doch nur Verbindung mit ihr aufnehmen könnte...aber sie könnte sonst wo sein und über diese Entfernung...Nein, nein, nein- das funktioniert nicht...", redet sie vor sich hin. Schliesslich bleibt Amira wieder stehen und blickt in Richtung des Tores. "Was hatte Traz noch gleich gesagt? Gedankliche Steuerung sei möglich?" Die Frau macht auf dem Absatz kehrt, als sich in ihrem Hirn eine fixe Idee zu formen beginnt. "Hat jemals einer von Eure Leuten versucht, das Tor auf mentalem Weg zu steuern?", richtet sie wieder das Wort an den Mann.
"Velbol? Nau... natürlich nicht. Wie auch. Der Weg wird durch die Symbole auf der Scheibe festgelegt, das Tor öffnet sich und der Weg ist frei. Da ist nichts gedanklich zu steuern."
"Aber irgendwie muss es doch geklappt haben- das Tor in Neu Igraine ist jedenfalls nicht defekt, was eine Umleitung hervorgerufen haben könnte.", meint sie mehr zu sich selbst, um sich dann wieder ihrem Gegenüber zuzuwenden, "Das heisst also, dass Ihr die 'Adresse' in Form von Symbolen sehen könnt- ist das richtig?"
Aaron nickt. "Wir wählen das Ziel über eine Symbolgruppe auf einer Scheibe an. Aber die Zahl der Adressen ist begrenzt. Es gibt nur fünf Scheiben für fünf Stellen." Das zumindest glaubte er...
Amira legt den Kopf schief. "Begrenzt...Hmm...Sind die Symbole nach dem Anwählen einer Adresse fest fixiert? Also können sie sich nicht von selbst 'umschalten'? Ist Euch in der Richtung vielleicht etwas aufgefallen, als sie hindurchgegangen ist? Eine Veränderung in der Anordnung zum Beispiel?", fragt sie weiter und ihr geht die 'Torkarte' durch den Kopf, die Tarz ihr und Allister gezeigt hatte. "Nur so wenige Symbole? Unmöglich.", geht es ihr durch den Kopf.
"Die Scheiben werden auf dem Sockel in vorgesehene Felder gegeben, wo sie fest bleiben, bis der Nebel vergeht. Erst danach kann man sie wieder entfernen. Da kann sich nichts verschieben."
Aaron nickte. "Bitte..." er machte eine Geste in Richtung der Tür und brachte Amira dann nach Drußen zum Tor. Der Ring musste viele tausend Jahre alt sein. Es waren zwei steinerene Viertelkreise, die ein Fundament aus massivem Stein hatten und auch aus grobem, altem Stein gefertigt zu sein schienen. Das Tor war schief, es ruhte an der blanken Felswand unterhalb des alten Turmes. Dieses Tor musste Früher im Burghof der alten Feste gestanden haben... Neben dem Tor gab es einen Haufen behauener Steine, die aber lose herumlagen. Man hatte den Boden vor dem Tor geebnet und so eine gut begehbare Fläche geschaffen. Einige der Steine waren zu einer flachen Ebene aufgeschichtet, auf der sich eine drehbare Steinscheibe befand, die fünf ebenmäßig runde, flache Vertiefungen hatte. Von Symbolen war nichts zu sehen.
Aaron erklärte knapp: "Hier werden die Symbolscheiben eingelegt, um das Tor zu aktivieren."
"Danke.", lächelt sie knapp und beschaut sich die Anordnung der Steine. Amira's Blick schweift kurz nach oben zum alten Turm- die Lage des Tors und der 'Trümmer' liess einige Schlüsse auf den ursprünglichen Standort zu. Dann widmet sie sich der Wahlvorrichtung. Ihre Finger tasten sich sacht über das 'Podest', noch kleinen Unebenheiten suchend. Wache Augen hielten Ausschau nach Schriftzeichen und versteckten Ritzen, welche auf einen Hohlraum hingedeutet hätten. "Hier muss es doch noch mehr geben...", geht es ihr durch den Kopf, "Das kann unmöglich alles gewesen sein."
Ja, es gab noch mehr - nur hatte man es nicht gefunden - und würde es an diesem Standort auch niemals finden. Die ursprünglichen Bewahrer des Tores hatten vorgesorgt. Es war schon einer dieser unglaublichen Zufälle, dass es einen Anwahlpunkt auf den alten Schmugglerinseln gab, der in die Konstellation der vorhandenen fünf steinernen Scheiben passte...
Aaron meinte: "Die Scheiben haben wir in der Wachhütte unter Verschluß."
Die Anwahlscheibe war aus Stein, leicht wärmer als der umgebende Stein und drehbar. Es gab keine Fugen, keine Ritze, keine Symbole.
"Interessant...", murmelt sie vor sich hin, als sie registriert, dass die Anwahlscheibe wärmer war als der Rest. Amira legt den Kopf schief und runzelt die Stirn. Erneut schweift ihr Blick über die umherliegenden Steine und wandert schliesslich wieder hinauf zum alten Turm. "Ich nehme an, man hat sich dort oben auch genauer umgesehen?", fragt sie, ohne den Blick von dem Gemäuer zu nehmen.
"Selbstverständlich. Das Tor hat früher hier im Burghof gestanden. Die Trümmer sind vom westlichen Turm, der dort", er wies auf einen Punkt auf halber Höhe rechts vom Tor, "gestanden hat. Hier gibt es nichts mehr. Das alte Siegel ist intakt, das Grab unversehrt."
"Siegel? Grab?", echot sie und unwillkürlich kommen ihr die Bilder aus Neu Igranine in den Sinn, wo sie mit Kyrillas zusammen zum Ersten Mal Traz' Reich betreten hatten.
"Ihr kennt die Entstehungsgeschichte Sel Tac'Zils und den Aufstieg der malla Ilharess nicht." stellte Aaron fest. "Lasst es Euch beizeiten erzählen."
Im Hintergrund ließ einer der Drow grade eine Taube in den Himmel steigen, die sich zielstrebig erhob und eilig ins Tal hinunterflog. Binnen kürzester zeit würde man unterrichtet sein, was vorgefallen war.