Amira war sich nicht sicher, was den Lufthauch betraf. Gehört hatte sie jedenfalls abermals nur die kleinen Nager, die sich hier unten ziemlich wohl zu fühlen schienen. Sie verharrte noch einen Moment lauschend und suchte dann nach Rissen im Holz, durch die man vielleicht hinausspähen konnte...
Die Tür war mehrlagig, dick und undurchdringlich. Auch sie hatte nur ein kleines Gitter oben, dessen Luk aber offenstand, so dass man hätte hinaussehen können, wäre es dahinter nicht tiefschwarz gewesen.
Lukarde sank langsam immer weiter in sich zusammen. Ihre Kraft schwand.
Amira stellte sich auf die Zehenspitzen und versuchte ihr Glück- immerhin war sie bewusstlos gewesen, als man sie hier reingeschmissen hatte, sodass sie absolut gar keine Ahnung hatte, was auf der anderen Seite der Tür lag. Es war zwar auf den ersten Blick vollkommen dunkel auf der anderen Seite der Tür, doch sie hegte die Hoffnung, dass sie vielleicht wenigstens ein paar Umrisse würde ausmachen können, welche auf mögliche Details hindeuteten...Von 'draussen' würde bald ein sacht schimmerndes Augenpaar sichtbar werden, welches mit Müh und Not hinausspähte...
Aufmerksam merkt sie sich die Details, was sich vielleicht später noch als wichtig herausstellen konnte. Sie versucht die anderen Türen genauer zu erkennen, um daraus Rückschlüsse auf ihre eigene Zelle schliessen zu können- Sachen wie: Wo sitzt das Schloss? Ist es mit einem Hebel gesichert oder einer Kette?
Jede Tür wies oben ein kleines vergittertes Fenster auf, dass bei den anderen Zellen bis auf eine gegenüber aber geschlossen war. Ein Fallriegel sicherte das Fensterchen. Jee Zellentür hatte Metallbeschläge, die mit großen Schlössern versehen werden konnten, die an Haken neben den Türen an der Wand hingen. Zwei gegenüber waren verschlossen, die beiden zur rechten nur verriegelt. Die anderen standen offen oder waren nur angelehnt, die Riegel nicht zugeschoben.
Schräg rechts vor Amira war ein dunkler Fleck zu sehen, scheinbar ein Durchgang. Der Tisch in der Mitte des Raumes wies bei näherer Betrachtung feuchte, dunkle Flecke auf, die frisch wirkten, am Rand aber eintrockneten.
Unwillkürlich begann Amira in der Luft zu schnuppern, war das da auf dem Tisch altes Blut? Überrascht hätte es sie nicht...
Da sie schon Schwierigkeiten hatte, überhaupt aus dem vergitterten Fensterchen herauszusehen, versucht sie garnicht erst den Riegel zu erreichen, der ihre Tür versperren musste. Sie lauschte hinaus auf die anderen verschlossenen Zellen. War von dort etwas Interessantes zu hören? Oder war vielleicht doch einer der Wächter in der Nähe und hielt sich nur in einem toten Winkel von ihrer Position verborgen?
Ja, sie wurde beobachtet, doch die Augen waren fast geschlossen und dunkel. Der metalltische Geruch im Vorraum war unverkennbar. Man hatte Brom dort abgelegt - Lukarde zuvor auch.
Amira schloss ihre Augen, womit das seichte Schimmern sofort erlosch. Sie atmete ganz ruhig und lautlos, während sie ihre Sinne wandern liess, wie Bakal sie es einst gelehrt hatte. Binnen weniger Herzschläge war ihre Wahrnehmung in Sachen Gehör dermassen geschärft, dass sie neben dem Wispern ihres eigenen Körpers auch jenes von Lukarde und Brom geradezu fühlen konnte...Wer oder was war noch hier unten ausser ihnen dreien und den scheinbar unzähligen Nagern...
Leise rieb Stoff an Stoff. Es kam von hinter ihr. Atemzüge wurden unregelmäßiger. Jemand bewegte sich, stoff glitt über Haut, dann das leise geräusch, als eine Hand anderen Stoff berührte. Ein Schaben an Stein... Und Herzen, die schlugen. Eines... zwei.... drei.... da war noch ein fremder herzschlag...
Wie wenn sie ein Ziel lokalisieren musste, konzentrierte sie sich mit allen Sinnen auf den dritten 'fremden' Herzschlag, welchen sie weder Lukarde oder Brom, noch sich selbst zuordnen konnte...Wo genau...
Langsam öffnete sie die Augen wieder und erneut war da dieses seichte rötliche Schimmern. Amira wandte ihren Blick in die Richtung, von wo sie glaubte das fremde Herz 'gehört' zu haben...