Tha'Risha war längst aus dem Gefängnis entlassen - nur Jhan'afay war noch dort, als man direkt nach den Festlichkeiten zum jahreswechsel einen weiteren "Gast" in das gefängnis brachte.
Xarsith Solen wurde von einem Sargtlin und zwei Wachen der Selvetarm-Garde auf Befehl der Ilharess persönlich in das Gefängnis gebracht.
Die Zelle, in die man ihn sperrte, lag der von Jhan'afay gegenüber... vor nicht allzu langer Zeit hatte dort Tha'Risha selbst gesessen. Die Zelle hatte kein Fenster nach außen. Drei Seiten Steinmauer waren zum Gang hin mit einem massiven Metallgitter abgegrenzt, und der Magus stand bereit, das Energiefeld wieder zu erheben.
Die Wachen zogen den Magus bis auf Hose und Tunika aus, leerten seine Stiefel und Taschen. Die Spinne wurde in einem Kasten eingesperrt, die Dolche entfernt und das Rapier unter Verschluss genommen. Man hatte dem Gefangenen nichts außer seiner kleidung gelassen.
Da saß er nun also, seiner Waffen, seiner Ausrüstung und selbst seiner hart erarbeiteten Stellung beraubt, und - zumindest dem Anschein nach - ohne jede Möglichkeiten eingeschlossen.
Von der Ilharess verraten fühlte er sich und das zu Recht, denn was hatte er anderes getan, als Befehle befolgt, selbst jene für die er weder zuständig war noch bezahlt wurde.
Die Ketten scheuerten und steigerten seinen Zorn, der kalt in seinem Innern loderte, der sich wie Säure durch seine Eingeweide fraß und - wie um sich zu strecken - testete er aus, wie lang die Leine war, an die man ihn gelegt hatte. Es reichte gerade, um sich bewegen zu können, mit ein wenig Gelenkigkeit konnte er sogar halbwegs bequem am Boden liegen, auch wenn er das symbolisch bereits tat.
"VERRAT!" schallte es tausendfach durch sein Haupt, in welchem hektische Aktivität sich Bahn brach und den Hass in konstruktive Bahnen zu lenken suchte.
Eine Möglichkeit nach der anderen, ein Gedanke nach dem anderen ratterten an seinem inneren Auge vorbei, wurden abgewogen, verworfen, abgewogen, verworfen, abgewogen und in Erwägung gezogen.
Doch zu allererst begann er zu erfassen, was ihm gerade widerfahren war und hätte er es vermocht, wäre er erbleicht angesichts dessen, wie dieses Schlammblut Thari'Sha und selbst die Ilharess Ry'Kah seiner gespottet hatten, indem sie ihn so behandelten.
Selbst dieser schwatzhafte Kervess Krämer war besser behandelt worden als er, der er - reinen Blutes - fleißigst in den Diensten des Hauses Arab'Gym stand.
Vor schierer Empörung hub er an, verächtlich auf den Boden zu spucken, verharrte jedoch, denn er durfte nicht damit rechnen, dass er einen Krug Wasser bekäme, um die verlorene Flüssigkeit zu ersetzen.
Allmälig beruhigte sich sein Zorn und die kalte Effizienz seines gelehrten Verstandes trieb ihn dazu, seiner inneren Stimme eine äußere zu geben und das Geschehene in einem gemurmelten Dialog mit sich selbst zu diskutieren. Seine kehlige Stimme schallte leise von den Mauern wider: (OT: der geneigte Leser mag sich hierbei an die Gespräche von Gollum und Sméagol erinnert fühlen)
"Das Schlammblut sollte hier sitzen! Erst ohne Recht Befehle erteilen und dann nicht einmal dafür gradestehen, wenn es schief geht..." "Hast Du denn etwas anderes erwartet, mein lieber Faern?", spuckte die innere Stimme giftig.
"Nein, natürlich nicht, aber ich hatte wichtigeres zu tun, wie Du Dich erinnerst. Befehle befolgen und all diesen Humbug, damit es nicht heißt 'Der Faern tut nicht, was man ihm sagt'" triefte Xarsith sich selbst an; wäre sein Sarkasmus flüssig gewesen, hätte er sich damit die Ketten vom Leibe ätzen können. "Ich bin ja schon beruhigt, dass dieses rothaarige Elend sich wenigstens genauso tief ins Drydernest geritten hat, zu dumm nur, dass die Ilharess das NOCH nicht weiß..."
"Ach ernsthaft?" antwortete die innere Stimme gelangweilt, "Dann lass doch mal hören, was sie denn alles gemacht haben soll..."
"Ich bin Alchimist und Magus, kein Advokatus! Bin ich etwa jemand, der das Gesetz studiert? Dafür werde ich nicht bezahlt!"
"Aber gelesen hast Du es trotzdem, nicht wahr, mein lieber Faern?" bekam er postwendend die spöttische Antwort.
Tief seufzend und seine innere Stimme verfluchend begann Xarsith, zusammenzufassen:
"Aaaaalso... nach dem STZGB, dem Gesetzbuch unseres schönen Reiches, hat sie doch einiges sich geleistet... Einen endeffektlichen Rufmord hat sie begangen (STZGB, Buch III (STGB), §2), denn Hausmagier werde ich JETZT gewiss nicht mehr, womit nach dem gleichen Paragraphen auch der Bestand der Beleidigung erfüllt ist..." begann er seine innere Stimme zu schulmeistern, "Ferner hat sie mich für ein Verbrechen in Ketten legen lassen, das nun wahrlich nicht mir anzulasten ist, das fällt wohl auch darunter; und da ich ergo kein Verbrechen begangen habe, hatte sie de jure kein Recht mich einzusperren und auch nicht das Recht, mich schlagen zu lassen, (STZGB, Buch III (STGB), §3 (Gemeinschaftliche Körperverletzung))" sinnierte er weiter und zitierte die Paragraphen, als sei er ein Kläger vor Gericht, "womit sich auch schon die nächste Schandtat offenbart: Da ich nun hier zu Unrecht in Ketten sitze, meine Arbeit im Labor unterbrochen ist und etliche Bestellungen der Armee und der Hospitale bezüglich Heiltränken und Klingengiften unbearbeitet bleiben, hat sie letzlich sogar dem Reich selbst geschadet... wie war das noch gleich? Achja..." er räusperte sich vernehmlich: "STZGB, Buch III (STGB), §11 (Verrat und Schädigung des Reiches), genau, das war es."
"Na sie mal einer an..." staunte die innere Stimme, "Du hast es sogar im Kopf behalten! Und ICH dachte immer, eine von den vielen menschlichen Gespielinnen, an denen Du so sehr Gefallen findest, hätte Dir den Verstand aus dem Kopf geb..." "Ich muss doch sehr bitten!" fiel Xarsith dazwischen, "nur weil ich am Boden bin, muss das Niveau mir nicht folgen!"
"Schon guuut, schon guut... mach einfach weiter..." machte die Stimme gespielt beleidigt einen Rückzieher.
"Meinetwegen... Zu schade nur dass ich als Magus das Armeegesetzbuch nicht zur Hand habe... Da käme sicher noch einiges mehr zusammen... Amtsanmaßung? Missbrauch von Befehlsgewalt?", improvisierte er, Vortäuschung falscher Tatsachen? Ein einfacher Sargtlin gibt einem Faern Befehle? PAH! Wenn ich das doch nur VORHER genauer gewusst hätte... Und wenn wir schon von Sargtlinen sprechen... Widerrechtliche Anstiftung zur Körperverletzung unter Vortäuschung von Ranghoheit? ICH möchte NICHT in Thari'shas Haut stecken, wenn DAS debattiert wird, aber dazu muss ich ersteinmal hier wieder raus kommen..."
"Tjaaaa...." lästerte die Stimme, " zusammengefasst kann man wirklich sagen, Du bist erst bedrowt und dann entfaernt wurden... Muharrharrharr..."
"Ach, geh doch in den Wald, und spiel mit was giftigem!"
Xarsith schüttelte geringfügig amüsiert den Kopf und fragte sich, was wohl die Wachen dachten, wenn sie seinen Sermon mitgehört hätten...
Xarsith brach sich einen sinnbildlichen Eiszapfen aus seinem Lächeln, ehe er antwortete:
"Mit Sicherheit nicht. Ohne sie wäre ich wohl an Langeweile verstorben..." er grinste trocken. "Und was hast Du ausgefressen, Süße? Beim Servieren Wein verschüttet?"
Im Rahmen seiner begrenzten Möglichkeiten nahm er eine Lotushaltung an und musterte Jhan'afay durch die magischen Barrieren, dass seine kurze schizoide Episode bemerkt worden war, schien ihm nicht im geringsten peinlich zu sein.
Die Drow fixierte ihn mit kaltem Blick. "Fearn, du solltest deine Worte manchesmal überdenken," fauchte Jhan'afay, sprach dann in gemäßigtem Ton weiter :"Ich bin Jhan'afay, Sargtlin der Selvetarm Garde. Warum ich hier bin? Pah! Wohl weil ich zu deutlich die Wahrheit sprach."
"Wieder eine Sargtlin, die Probleme mit faern'scher Rangüberlegenheit hat...", grummelte Xar'zith und fragte beinahe mitleidig: "Welche Wahrheit war denn so schlimm, dass Du nun hier sitzt? Oder mangelte es einfach nur an den Umgangsformen?
"Die Wahrheit über unreines Blut im Haus," sagte sie unverhohlen. "Die große Göttin scheint - wenn man der Ilharess Glauben schenken darf in dieser Sache - einen Narren an dem Halbblut gefressen zu haben. Eine Beleidigung für unsereins, wenn du mich fragst."
Nun entschied sich Xar'zith doch dazu, angewidert auszuspucken, zumindest sah es so aus, denn noch immer war er nicht bereit, dafür Flüssigkeit zu vergeuden.
"BAH! Und?... Wie lange darfst Du die Zeit in dieser noblen Herberge genießen?"
"Ich sitze schon seit mindestens zwei Monaten hier," fauchte sie. "Aber wenn ich sehe, wie ein Halbblut einer wahren Drow vorgezogen wird, so danke ich Selvetarm, dass ich dies nicht erleben muss."
Xar'zith lachte "schallend" (es klang eher wie ein Reibeisen, dass sich in ein Regal voller Schwertrohlinge verirrt hat) und sagte immer noch schmunzelnd:
"Ha! Ich für meinen Teil wäre lieber in meinem Laboratorium eingesperrt. Dann könnte ich weiter arbeiten, nützlich sein, hätte ein weiches Bett, guten Wein im Ingredienzenlager und des Nächtens einen weiblichen Bettwärmer. Dagegen belegt dieses 'Etablissement' einen bei weitem schlechteren Platz..."
"Ich kann mir auch weitaus interessanteres und vor allem amüsanteres vorstellen, als in einer Zelle zu sitzen und Euren überheblichen Ausschweifungen zuhören zu müssen, Fearn!" Jhan'afay schüttelte den Kopf und lehnte selbigen an die Wand. "Warum seid ihr hier?"
"Es gab einen ... Zwischenfall, bei dem die tlu malla Ilharess ... das Bewusstsein verlor. Wie ich jetzt weiß, war ich der ranghöchste Anwesende und hätte das Kommando haben müssen, tatsächlich hat SARGTLIN Halbblut behauptet, sie habe die Befehlsgewalt. Sie gab mir einen Befehl, dessen Ausführung ANGEBLICH (so behauptet sie) zur Störung eines wichtigen Rituals geführt hat, weswegen ich nun hier bin.
Zusammengefasst hat sie widerrechtlich einen Befehl gegeben und dann nicht das Rückgrat gehabt, zu dessen Konsequenzen zu stehen.
Die tlu malla Ilharess hat meine Verhaftung abgesegnet, ohne auch nur einen winzigen Augenblick in Betracht zu ziehen, dass sie möglicherweise den Falschen schasst.
Nett, nicht wahr?
Übrigens, nebenbei erwähnt, ich bin nicht überheblich, ich sage nur die Wahrheit.
Xar'zith lachte bösartig und sagte voller Zynismus: "Nein, wie sollte ich auch? Ich musste alle meine Waffen abgeben und mein Verstand ist nunmal meine schärfste..."