Er sah ihr noch lange nach und blieb eine ganze weile dot nachdenklich stehen, bevor er sich zurück zog und alles zusammen packte, Donnerhall Striegelte, aufsattelte und schließlich sich auf den Weg zurück in die Stadt machte. Langsam und gemächlich.
Sirgal ritt lange und langsam den gewundenen Weg hinunter in das Tal hinter der Strafkolonie. Die Stute hielt immer mal wieder inne, wurde von ihr aber weitergetrieben. Sirgal entfernte sich von Gullminne und verschwand in die dichten, unwegsamen Wälder. Ihr Weg führte sie an Steilhängen entlang, die fast senkrecht abfielen, durch dunkle Hohlwege und hinauf über hochwiesen und Lichtungen, bis sie in immer unwegsameres Gelände kam. Hier, Stunden von Gullminne entfernt, wo nur noch Wildwechsel Wege waren, kamen die Tränen, und mit ihnen die Qual. Sirgal krümmte sich auf dem Pferd, als sie sich allein wusste, und das, was aus ihr herausbrach, wollte nicht enden. Tränenblind ließ sie den Zügel fallen, schlang die Hände um den schmerzenden Leib und hatte kaum mehr kraft, noch auf dem Pferd zu bleiben. Bei einem dichten Gebüsch, am Rand einer Lichtung blieb Ardanwen stehen. Sirgal glitt von der Stute, ließ sich neben ihr auf die knie fallen und weinte. Von Krämpfen geschüttelt, blieb sie im dichten Gras liegen, weinte sich die Seele aus dem Leib. Die Stute war dicht bei ihr, stand mit hängendem Kopf, die Nase fast im Gras und wusste nichts zu tun, außer ihr gelegentlich mit den Nüstern durch die Haare zu fahren und zu wachen. Die Zeit zum Luftholen war immer nur kurz, wieder und wieder kamen die Bilder, die Erinnerungen, das, was sie Aly'Triss angetan hatte, dass sie ihre Familie verraten hatte und der Schmerz umnebelte ihre Sinne. Wie leer und blicklos blieb sie liegen, regte sich nicht.
Er war gerade erst zurückgekehrt. Es standen diverse gut gepackte Satteltaschen im Flur und er kam noch in staubiger Reisekleidung an die Tür. Ein Blick auf Aly'Triss und er bat ihn herrein. "Was ist passiert? Brauchst Du hilfe?"
Er sah ihn an dann schüttelte er den Kopf. "Nau. Ich....Sirgal braucht noch etwas.. sie ist nochmal alleine los... Frag mich nicht warum ich weiß es nicht. Wie war die Reise?"
Kar'Yann runzelte die Stirn, akzeptierte das Schweigen von Aly'Triss aber. "Bwael - die Reise? Ich musste mal´wieder viel zu viel reden. Ich mag keine Händler." Sein Blick streifte die schweren Taschen, die auf mehrere Packpferde schließen ließen. Dann sah er Aly'Triss wieder an. "Du weißt, wo Du mich finden kannst, abbil." Er verband kein Angebot mit dieser Aussage, nichts. Es war einfach die Feststellung eines Freundes.
Sirgal lag im Gras der Lichtung und das Weinen war irgendwann in Bauchkrämpfe übergegangen, die sich in Erbrechen entluden. Da sie aber nur wenig gegessen hatte, war es eher ein Entleeren von Schleim und bald Galle, das sie quälte und auslaugte. Ihr war im wahrsten Sinne des Wortes schlecht von dem, was passiert war. Als sie in erschöpften Schlaf fiel, der am Rande eines Zusammenbruchs war, beobachtete die Stute sie eine Weile und begann dann, dicht bei ihr Gras zu rupfen. Nicht ganz einfach mit der Trense im Maul, aber es ging. Das Pferd entfernte sich nie weit, weidete rund um sie herum die Lichtung ab. Es war bereits dunkel, als Sirgal erwachte. Zitternd kam sie auf die Beine, kalt, feucht und kaum in der Lage zu stehen. Mit fliegenden Fingern befreite sie die Stute von Sattel und Trense, fluchte innerlich, weil sie keine Decke dabei hatte und verkroch sich dann am Rand der Lichtung in einer Mulde mit Reisig und altem Laub. Sie hätte keine halbe Stunde auf dem Pferd ausgehalten, und Ardanwen war alles andere als darauf trainiert, neben ihr liegen zu bleiben, um sie zu wärmen. Frierend, allein und völlig fertig mit der Welt, verunsichert, wie es weiter gehen sollte, und ob sie Kar'Yann überhaupt wieder unter die Augen treten konnte, schlief Sirgal ein. Wieder holten die Bilder sie ein - aber diesmal war sie wirklich allein. Mehrmals erwachte sie mit einem Aufschrei, weinte lange und brauchte sehr viel Zeit, um das, was ihr Verstand ihr wieder und wieder zeigte, veränderte, mit wahren Erinnerungen und entsetzlichen Bildern vermischte, zu verarbeiten und irgendwann damit zu leben... Der nächste Morgen kam und brachte Reif. Sirgal erwachte wieder stöhnend, eiskalt und unfähig sich zu bewegen. Die Hände waren weiß, die Augen so kalt, dass sie die Bewegung der Augäpfel im Kopf unangenehm spürte. 'Du musst dich bewegen... es ist gefährlich... langsam... Stute? ... Bin ich eigentlich allein?... und wo?... Lichtung...' Schmerzen. Kälte. Und doch zwang sie sich, langsam die Finger und Beine zu bewegen, um wieder leben darin zu erwecken. 'Einfach liegenbleiben... nichts mehr tun... ist doch egal... nein. Ist es nicht... alles umsonst ihm angetan? Wie kannst Du es wagen?' Kälte. 'Los, beweg Dich! Du sackst weg... mach schon!' Dann war da eine Erinnerung an ein warmes, liebevolles und unendlich friedvolles Licht... an blaues Fell und sanfte Augen, feine Hände und ein Herz, das zuhörte. Sie - und Sirgal erinnerte den Achonten immer als Sie - hatte gegen jedes Vorurteil zugehört und ihr eigenes Denken überprüft. Sie hatte IHN angesehen... nicht zugelassen, dass ER litt. Geholfen, obwohl sie das dunkle Volk nicht mochte. "Danke..." stammelte Sirgal mit einer Stimme, die nicht ihr zu gehören schien. Ardanwen sah auf und kam langsam zu ihr, ließ zu, dass Sirgal ihr die eiskalten Hände unter die dichte Mähne schob und sich von ihr wärmen ließ. Immernoch kauerte Sirgal auf dem Boden, unfähig auzustehen. Ganz langsam kehrte das Leben in ihre Beine zurück und mit dem Leben kamen die Schmerzen. Alle Gelenke taten ihr weh, die Striemen der Peitschenhiebe waren empfindlich, wie rohes Fleisch. Vom Weinen und dem Erbrechen taten ihr Bauch und Flanken weh, der Hals war rauh und sie hatte kaum noch Stimme. 'Ich muß hier weg... aber nach hause?' Sie war geschätzt einen Tagesritt von Gullminne entfernt. Wohin sollte sie sonst gehen? 'Zur Hütte zurück? Nau!' ER würde dort zuerst nachsehen. Und genau das durfte nicht passieren. 'Nicht wieder. Nie wieder! Ich habe Dir mehr Leid angetan als ich in diesem Leben wieder gut machen kann.' Sie kam auf die Knie hoch und ließ sich von der Stute auf die Füße ziehen. Sirgal konnte kaum stehen, so schmerzten die Beine und Füße. 'Hoffentlich ist das gut gegangen...' sie dachte kurz über die medizinischen Folgen einer solchen nacht und der jetzigen Symptome nach, schob die Gedanken aber einfach zur Seite. 'Ich werde einfach viel unterwegs sein. Nicht da. Egal wohin, nur weg... Krieger, durch mich sollst Du nie wieder in Schwierigkeiten gebracht werden. Was immer ich tue - Du wirst nichts damit zu tun haben. Vielleicht sollte ich die ganze Geschichte mit den Assassinenorden einfach vergessen. Warum soll ich mich da einmischen? Der verfluchte Orden braucht jemanden wie mich nicht. Außer zu um die Ecke bringen. Und Kyl'Lians Onyxkrieger haben Kar'Yann oder das Haus der Heilung. Soll sich diese Briz'Shalee doch damit auseinandersetzen...' So vieles ging ihr durch den Kopf und ganz langsam fand sie ins Leben zurück. Es waren neue Narben auf ihrer Seele dazugekommen, eine neue Kälte und Verschlossenheit, die da vorher so nicht war. Wie ein Schatten, der auf ihr lag, wo vorher Sonnenschein gewesen war. Sie brauchte fast eine Stunde, bis sie so weit war, den Sattel überhaupt auf das Pferd zu bekommen. Hinauf kam sie nicht. Nach dem zweiten Versuch nahm sie den Zügel in die Hand und begann, langsam neben der Stute herzugehen. Sie humpelte. Jeder Schritt wie eine Messerklinge in den Füßen. Die Gelenke schmerzten so. Der Morgen war grau und düster wie ihre Gedanken. Sirgal blieb stehen, als sie an einen Weg kam und tat etwas, was sie schon seit Ewigkeiten nicht mehr getan hatte - sie betete. Die Botin erbat Schutz und innere Stärke, bat um Licht und Liebe, um mit dem leben zu können, was geschehen war. Ganz langsam wurde sie ruhiger. Über einen umgestürzten Baum kroch sie auf das Pferd und ließ sich in den Sattel sinken. Ardanwen sah sich erst um, ob sie wirklich saß, bevor sie langsam lostrottete.
Alytriss fand, nachdem er zuhause war, keine Ruhe. Wie sehr auch Izz'dorl sich an ihn schmiegte oder zu verstehen versuchte was los war, er fand keine innere Ruhe. Igrendwann gegen Mittag verbschiedete er sich von Ihr und wieß sie an vorsichtig zu sein, die Triskele nicht abzulegen und nach Möglichkeit in das Quartier der Sondereinheitzu gehen, denn er würde Targo mitnehmen.
Bei KarYann fand er seinen Verdacht bestätigt. Sirgal war nicht zuhause, Also brach er auf, rauf zur Hütte, dort wo die Fährte ihren Anfang hat.
Targo würde lange brauchen um die Spuhr bis zum ende zu verfolgen.und irgendwann würde er nur noch zufuß vorwärts kommen, musste immerwieder umwege in Kauf nehmen, da sich die Stute Sirgals über gelände bewegen konnte, das Donnerhall nicht bewältigen konnte. Er musste sich beeilen, bevor Targo die Fährte nicht mehr verfolhgen konnte immer wieder veror er die Spuhr udn immer öfter war er dazu gezwungen weite Strecken zufuß zu gehen und Donnerhall zu führen, Auch Targo ermüdete, das lange Suchen erschöpfte ihn. An einem Feuer machte er schießlich Rast, so das der Hund und Pferd sich erholen konnten. Er tat unterdess kein Auge zu. An Schlaf war gerade nicht zu denken.
Nach drei Stunden Rast ging es weiter. weiter in dieses unwegsame Gelände durch den Wald wo es außer Rehpfaden nicht wirklich irgendwelche Wege gab. Irgendwann im Morgengrauen entdeckte er schließlich die Lichtung, wo er ein verlassenes Lager vorfand, naja.. jedenfalls Targo schnüffelte wie wild an den Abgegrasten flächen herum sowie an einer Mulde in der jemand gelegen hatte. Die Mulde war kalt und die Stelle wo das Pferd wohl gegrast hatte war mehrere Stunden alt. Schließlich folgte er der wegführenden frischeren Fährte, Targo auf den Fuß folgend der Aufgeregt in eine Richtung lief, bis er ihn schließlich in einer senke im Nebel, aus den Augen verlor.
Das Lager in der Lichtung war für Targos Nase sicher interessant - aber seiner Göttin sei Dank, nicht für die Nase von Aly'Triss. Außer dem zerdrückten Gras, dass sich schon wieder reorganisierte, und der Mulde gab es so gut wie keine Anhaltspunkte, was sich hier wirklich abgespielt hatte. Würde der Hund sprechen können, hätte er sicher mehr zu erzählen...
Ardanwen hatte sich weiter von Gullminne entfernt, da das Gelände dort flacher und leichter begehbar war - und sich dabei gefährlich nah dem Gebiet der Wald-Karrak genähert, das relativ weit an Gullminne heranreichte und Teil Sel Tac'Zils war. Sie waren die untersetzten, etwas kleineren und kräftigeren der Karrak-Rassen, agressive Jäger, die eigentlich immer unterwegs waren.
Sirgal hatte an einem klaren Bachlauf Rast gemacht, war abgesessen und hatte durstig getrunken. Hier unten im Nebel war fast nichts zu sehen, auch wenn der Tag voranschritt. An den kleinen Ufern des Baches waren noch Eiszapfen. Hier kam so schnell keine Sonne hin. Normalerweise waren so 'dicht' - nur eineinhalb Tagesritt von Gullminne entfernt - keine Karrak unterwegs ... normalerweise. Die Stute witterte sie, bevor sie zu sehen oder zu hören waren. Sie zögerte, warnte dann leise. Sirgal hatte große Mühe, möglichst schnell wieder aufs Pferd zu kommen, und ließ die Stute bergan einen steilen Hang hinaufklettern, wo sie sich zwischen Bäumen hindurchwand und in einem so dichten Dornengestrüpp aus Schlehen, Weißdorn und Brombeeren verschwand, dass es eigentlich kein Durchkommen geben konnte.
Es war Sirgals einzige Chance. Einer langen Flucht voller Haken auf dem Pferd in gestrecktem Galopp wäre sich nicht gewachsen. Sie war, bis auf das kleine Messer, unbewaffnet und nicht in der Lage, sich einem Kampf zu stellen. Das gebüsch war so dicht, dass es sie schnell und vollständig verschluckte - und es war mehr als nur eine Hecke. Das Gelände glich dem Knochenbrecherfeld, nur dass es hier keine tückischen Spalten gab. Nach kurzer Zeit war sie so vollständig verschluckt, dass es keinen Anhaltspunkt mehr gab, dass hier jemand drin stecken könnte. Sie saß ab. Der Sattel wies schwere Schrammen und tiefe Kratzer auf, die hell im schwarzen Leder leuchteten. Sirgals Stoffhose - eigentlich ein fataler Fehler, denn die Reithose lag daheim, und sie ging nie ohne auf längere Ritte - war an vielen Stellen aufgerissen und hatte das weiße Fleisch darunter eingeschnitten. Ein Schmiss auf der Stirn hinterließ eine warme Blutspur und Hände und Arme sahen entsprechend aus, genau wie die Brust und der Kopf der Stute. 'Jetzt gibts wenigstens keine dummen Nachfragen, warum ich so elend aussehe', dachte Sirgal und setzte sich auf den Boden an den Stamm eines Weißdorns, der so überhing, dass es eine niedere Höhlung gab, in der sogar die Stute stehen konnte. Jetzt hieß es abwarten... Sie schloß die Augen und lehnte den Kopf nach hinten an den Stamm. In den verfilzten Haaren hingen schon abgebrochene Dornenzweige.
Targo war der erste der durch den Nebel kam, wie ein großer grauer Wolf folgte er Sirgals fährte und lauschte dann angestrengt. Dann trat eine große Gestalt auf einem Großen Pferd durch den Nebel,alles noch leicht verschwommen. Auch Donnerhall witterte irgendetwas und hielt an. AlyTriss lauschte, als das Pferd unruhig wurde.
Es war eine Rotte, die da unterwegs war. Mit Schwertern und Bögen bewaffnet und bis dato noch ohne Jagderfolg und entsprechend griesgrämig. Einer riß die Hand hoch und deutete nach vorn - acht andere die Bögen und schossen... da war etwas mittelgroßes Graues und etwas viel größeres, dass sich bestimmt zu töten lohnte!
Targo jaulte, als der Pfeil ihn streifte udn rannte in den Nebel auf das Unterholz zu. Donnerhall scheute und wendete vor den Pfeile. AlyTriss gab ihm die Sporen und preschte zurück in den Nebel auf den Wald zu.
Sirgal hörte das Jaulen und den Hufschlag... wer auch immer den Karrak in die Arme gelaufen war, würde es nicht leicht haben. Sie seufzte leise und vergrub das Gesicht in den Armen, die sie auf den angewinkelten Knien liegen hatte.
Die Jagd war eröffnet! Sie rannten. Schnell, ausdauernd und voller Eifer jagten sie in zwei Gruppen der Beute nach... Neue Pfeile waren aufgelegt und Schwerter gezückt. Schnüffelnd und johlend kamen sie Aly'Triss nach.
"TARGO...TARTHE!" befahl er deutlich und laut hörbar dem Hund der sich daraufhin in das dichte unterholz verkroch und dort ein Versteck suchte. ALyTriss beschleunigte Donnerhall und machte einen Bogen. Er schlug mehrere Hacken und suchte sich hinter einer Bergkuppe außer Sicht und Hörweite zu verkriechen.
Sirgals Ohren waren viel zu gut, als dass sie Stimme und Befehl nicht erkannt hätte. 'Nicht Du! Nicht Du schon wieder! Oh, wenn es deine Göttin wirklich gibt, dann soll sie diese gottverdammten Karrak auf eine falsche Fährte lenken...' Sie sah ihn schon mit Pfeilen gespickt im tiefen Gras liegen, von einem Karrak an einem Stiefel gepackt und weggeschleift, Donnerhall irgendwo reglos im Gras und Targo als nächste Mahlzeit erlegt.
Der Hang hinter der Kuppe war elend steil und fiel in engen Stufen ab - der Wipfel der nächsten baumkrone war auf Triss kniehöhe, wenn er im Sattel saß. Viel zu steil für ein Pferd. Ein Fehltritt, und es würde eine unhaltbare Katastrophe geben.