Langsam ging die Tür der Taverne auf. Zwei schwer bewaffnete Männer, ihre Wappenröcke wiesen sie als Angehörige des nordischen Bundes aus, schauten misstrauisch in die Taverne, die Hände an ihren Schwertern.
"Herr, es sieht ruhig hier aus" sprach ihr Anführer, der mit einem etwas verächtlichen Blick die Gäste musterte.
Ein etwas älterer Herr in einem grauen Gewand, nicht unähnlich dem Gewand eines Magiers, antwortete etwas entnervt: "Hauptmann, so sehr ich eure Besorgnis schätze, ich habe euch schon darauf hingewiesen, das diese Taverne HARMLOS ist !"
Langsam trat Shylock ein, schaute den Hauptmann seiner persönlichen Leibgarde an, und sagte: "Nur weil ich dem Obmann dem ihm persönlich kostbarsten Schatz gerettet habe, bedeutet das noch lange nicht, das ihr die Befehle des Obmanns so auslegt, wie ihr es gerade tut. Und nun seid ruhig!" Der Hauptmann schaute verunsichert. "Verzeiht Herr, aber die Befehle des Obmanns sind ..."
Mit einer wütenden Geste schnitt Shylock dem Hauptmann das Wort ab. "Ich habe die älteste Tochter des Obmanns vor einem Fehler bewahrt. Das bedeutet aber noch lange nicht, das er mich meiner Freiheiten beraubt! So sehr ich eure Hilfsbereitschaft schätze, Hauptmann, so sehr liebe ich meine persönlichen Freiheiten."
"Nun geht, und nehmt euch und euren Männern etwas zu trinken mit. Ich habe hier etwas zu erledigen, wo ich euch und eure Männer nicht brauche."
Shylock warf dem Wirt der Taverne ein paar Batzen Silber zu. "Für den Herrn Hauptmann und seine Männer Getränke nach seiner Wahl, für mich einen Tee nach dem Vorbild dessen, was die Dame da trinkt."
Langsam trat Shylock an den Tisch von Sirgal, und verbeugte sich. " Seid gegrüßt Sirgal." .... er musterte die Frau, die er vor einem Mond kennen und schätzen gelernt hatte, und Sorge trat in seinen Blick.
"Es geht schon", war die sehr leise Antwort - und ein langer Blick aus in dem Licht fast schwarz wirkenden Augen. Dann stahl sich ein kleines Lächeln auf ihr Gesicht. "Schön, dass ihr der Einladung gefolgt seid, Shylock."
Shylock lächelte zurück. "Nun, es war mir damals wirklich eine Freude euch kennen zu lernen, und es hat mich gefreut, einiges über die Drachenwelt zu erfahren. Und ich habe während der Zeit, in der ihr fort wart, einiges noch an Nachforschungen angestellt."
Ein säuerlicher Ausdruck trat in die Augen Shylocks. "Leider mußte ich einen Auftrag für den Obmann des nordischen Bundes übernehmen, den ich erfolgreich abschloss. Seitdem .." Shylock zeigte auf die Tür des Gasthauses " ... habe ich eine persönliche Leibwache, und das nur, weil ich seine einzige Tochter vor einem Barden gerettet habe!"
"Genug von meinen Problemen. Wie ist es euch ergangen in der Welt, in der euch euer Meister geschickt hat? Und was habt ihr dort erfahren?"
"Viel ist geschehen - und auch ich konnte noch einiges in Erfahrung brigen. Aber wollen wir uns nicht setzen?" Sie wies auf den Tisch, auf dem das dicke Bündel lag. Sirgal winkte dem Wirt, der eine kanne Tee und Becher brachte, die sie vorbestellt hatte, sowie einen Lüster, um für ausreichend Licht zu sorgen. Als er ging, stellte der Wirt gefaltete Karten auf die umliegenden Tische. Sie würden ungestört bleiben.
"Wir kamen in eine Zeit, die selbst für meine Erinnerungen noch etwas zukünftig lag. Der Kupferne hatte dort einzug gehalten, in dem Auugenblick als wir ankamen. Scheinbar ersetzten wir die eigentliche Bevölkerung Weltenwachts und nur einige Orden und Ortsansässige waren verblieben. Seit dem, was ich erinnerte, waren 77 Jahre vergangen - und ich fand heraus, dass ich damals elfischen Wesens gewesen sein muss, denn die Lebensspanne eines Menschen ist nicht so lang, wie der Zeitraum, den ich überschaue. Ein paar Faune, die dort waren, bestätigten den Verdacht. Im gespräch mit einer Bewohnerin der zweiten Welt, die für gewöhnlich im Lager des Goldenen weilt, kamen noch ein paar interessante Dinge über unser gemeinsames Interesse ans Licht... Zum Beispiel, dass es sich bei der Tötung der Stählernen zwar um das Schwert des Champions handelte, er aber die Klinge nicht selbst führte, als die Stählerne starb." Sirgal goß beiden Tee ein, süßte den ihren und genoß ihn dann, um wieder warm zu werden. Ihre Erzählung ließ bisher keinen Schluß zu, warum sie so verändert aussah.
Während Sirgal redete, goß sich Shylock ebenfalls Tee ein. Er hörte der Erzählung Sirgal´s zu, und nickte dann:
"Also war die Klinge an sich nicht ausschlaggebend, die den tödlichen Streich gegen den Stählernen führte, sondern derjenige, der die Klinge führte. Und ich vermute, das dieser Kämpfer über eine Magie verfügte, die diese Klinge zu einem tödlichen Instrument machte."
"Im Gespräch mit Nurija Abdelatif konnte ich folgendes als bewiesen festhalten", meinte Sirgal, "das Schwert, dass der goldene Avatar führt, ist dem Schwert, dass die Stählerne tötete, sehr ähnlich. Er trägt es seit dem die Stählerne fort ist. Die Stählerne wurde durch die Waffe des Champions getötet, nicht aber durch dessen Hand. Wer die Waffe führte, ist nicht bekannt. Die Sendbotin ist nicht die Anführerin des Triumvirates - das ist eine Drei-Personen Führung, die durchaus auch der Sendbotin sagt, wann sie die Füße stillhalten soll. Und noch etwas ganz interessantes: in einer Situation lachte die Sendbotin Tränen... diese wurden aufgefangen und in einer Phiole verwahrt. Mittels dieses Artefaktes kann paralysiert werden - und die Phiole war in der Ersten Welt dabei."
Sie sah Shylock ruhig an, hatte dabei eine Hand auf dem dicken Bündel liegen. Sirgal war ganz froh, dass er nciht weiter nachfragte.
Shylock sah, das Sirgals' Hand auf einem Bündel lag; aber es war ihm aufgrund ihres Blickes klar, das sie nicht das Geheimnis dieses Bündels enthüllen wollte. Ihm war auf der anderen Seite schon sehr klar, was dieses Bündel aufgrund ihrer Geschichte enthielt.
"Sirgal, mir ist während eurer Reise auch einiges widerfahren. Seit ihr daran interessiert, was alles passiert ist? Denn so ganz unschuldig seid ihr nicht an den Veränderungen." Bei diesen Worten schlich sich ein schalkhaftes Lächeln auf Shylocks Gesicht, das sein würdiges Auftreten Lügen strafte.
Dieser jungenhafte Zug an Shylock war Sirgal sehr sympathisch. Fragend sah sie ihn an. "Ich bin daran nicht unschuldig?" meinte sie. "In wiefern?" dann lächelte sie das erste mal wirklich.
Shylock nahm einen tiefen Schluck aus seiner Teetasse. „Nun, als wir uns das erste Mal trafen, stellte ich fest, das die Drachen des Festes in etwa den Göttern entsprechen, die in den Städten meiner Heimat angebetet werden. Als ich auf der Rückreise war, fragte ich mich, inwiefern diese meine Überlegung zutreffen könnte.“ Shylock schwieg, und sein Grinsen wurde immer breiter.
„Da ich auch den Tempelvorstehern den einen oder anderen Gefallen im Laufe meines Lebens als Sucher erwiesen hatte, wurde ich bei dem Tempelvorsteher des Windes vorstellig. Der Gott des Windes entspricht dem Blauen Drachen. Ich trug meine Bitte vor, die Archive mir anzusehen, auch die Archive, die man nur als Priester betreten darf.“
Der Gedanke an das Gesicht des Archivars, als Shylock diese Bitte vortrug, erschien vor Shylocks inneren Auge, und er lachte laut.
„Nun, mir wurde diese Bitte erst einmal abschlägig beschieden. Als ich dann allerdings den obersten Hüter des Windes darauf hinwies, wem er es zu verdanken hatte, das seine kostbaren Schätze wieder im Tempel aufgetaucht sind, hatte ich sehr schnell eine Anordnung von ihm in der Tasche, und ich konnte meine Suche in den Archiven fortsetzen.“
Shylock trank wieder von seinem Tee. „Das Ergebnis war eindeutig. Die Drachen sind unsere Götter. Und auch der Untergang der ersten Drachenwelt wird beschrieben. Weil die Priester damals der Magie die Schuld an der Katastrophe gaben, die unsere Lande zerstörten, gab es die eine einfache Lösung des Problems; alle Magiekundigen wurden weg gesperrt.“
Shylocks Gesicht wurde etwas nachdenklicher. „Allerdings gibt es noch im nordischen Bund Menschen, die begabt sind. Allem Anschein nach benötigt es einen Auslöser, um sich dieser Begabung bewußt zu werden, und dann damit in der Lage zu sein, sie auch anzuwenden.“
Langsam beugte sich Shylock vor und sah Sirgal ins Gesicht. „Ihr, liebe Sirgal, wart mein Auslöser.“ Langsam hob er die linke Hand, mit der Handfläche nach oben, und konzentrierte sich. Ein Leuchten bildete sich auf seiner Hand, das sich zu einer Kugel formte. Diese Kugel schwebte über der Hand.
„ Seht ihr, was ihr mit mir angestellt habt Sirgal?“ Das Grinsen auf Shylocks Gesicht konnte kaum noch breiter werden.
Sirgals Gesicht blieb ernst und sie sah ihm grade in die Augen. "Hütet das Geschenk der Magie und wendet sie niemals zum Schaden anderer oder zu Eurem Vorteil an..." sagte sie rauh. "Auf das Euch niemals geschehen wird, was die Silion damals taten, als sie ihre Schandmasken nahmen und der Magie abschworen." Eine fahle Blässe hatte sich ihrer beschlichen.
Plötzlich stürzt der Hauptmann von Shylocks Leibwache herein, in seinen Händen eine Dokumentenrolle. "Dies kam gerade vom Hafen, mit einem reitenden Boten." Bedeutungsvoll zeigte er auf das Siegel, das die Dokumentenrolle verschloss.
Shylocks Augen wurden groß; das Siegel war das Siegel des Hochpratiziers. Langsam erbrach er das Siegel, zog das Pergament aus der Rolle, und begann das Dokument zu lesen. Ein leiser Fluch in einer unbekannten Sprache kam von seinen Lippen, als er am Ende des Dokuments angekommen war.
"Sirgal, dies sind mehr als unangenehme Nachrichten aus meiner Heimat. Anscheinend häufen sich die Vorfälle, bei denen Menschen ohne irgendeine Verletzung anzuzeigen, tot in ihren Betten vor gefunden werden. Weiterhin scheinen sich in alten Gemäuern Dinge zu tun, die man mit Fug und Recht als Spuk bezeichnen kann. Der Hochpatrizier verlangt meine sofortige Anwesenheit im Nordenbund."
Langsam stand Shylock auf. "Sirgal, ich habe unsere Bekanntschaft genossen, und ich hatte gehofft, noch mehr von euch zu lernen. Aber leider darf ich nicht diesen Befehl nicht ignorieren." Langsam langte er in eine Tasche, und zog eine schwere goldene Kette hervor und legte sie an. Die Kette endete in einem großen goldenen Medaillon; auf diesem waren vier Zeichen wie in einem Wappen angeordnet; eine Waage, eine Holk, eine Feder und ein Schwert.
"Dies," sprach Shylock "ist das Zeichen meines Amtes und meiner Bürde. Es ist das Zeichen des Hochjudikators des Nordenbunds." Mit Trauer im Blick verbeugte sich Shylock tief vor Sirgal. "Vergebt mir, ich muß reisen."
Damit wandte sich Shylock zur Tür, und verschwand, den Hauptmann hinter sich.
Die ganze Szene hatte ein Mann beobachtet, der in hinteren Teil der Gaststube gesessen hatte.
Langsam erhob sich der Unbekannte und trat ins Licht. Freundliche, graugrüne Augen blitzen in seinem Gesicht, das bartlos war. Das Haar war schon etwas licht, und einige grauen Strähnen waren dort zu sehen. Der Unbekannte war schlicht gekleidet, aber die Stoffe, aus denen seine Kleider gefertigt waren, waren gute und teure Stoffe. An seinem Gürtel baumelten neben einem schweren Dolch eine kurze schwere Streitaxt ähnlich wie die, die Nordmänner gerne trugen.
Langsam nahm der Unbekannte die Pfeife aus dem Mund: "ich mag die Leute aus dem Nordenbund nicht; sie verstehen unsere Kultur nicht, und meinen, das wir allesamt Piraten wären. Ich bin froh, das er mich nicht gesehen hat, sonst hätte es hier ein Blutbad gegeben." Dabei lachte er laut.