Auch Sirgal verstaut die Dolche und das lange Reitermesser, schaut aber eher stumpf und abwartend, in welche Richtung Allister oder die anderen weitergehen würden.
Amira üerlegte kurz. Am liebsten hätte sie ihren Falken mit einer Botschaft zu Dante geschickt, dass er sie mitsammt seinem Kahn hier abholen solle, doch das hätte bedeutet, dass sie hier definitiv länger als zwei Stunden festgesessen hätten. Ob es ihr passte oder nicht- wenn die Wache die Wahrheit gesagt hatte, dann wäre es immerhin möglich, dass sie in absehbarer Zeit im Warmen sitzen konnten. Die Frau holt sich den Falken abermals auf den Unterarm und flüstert ihm etwas zu, ehe sie ihm mit einem kräftigen Schwung Starthilfe gibt. "Zwei Stunden hat es gesagt- das ist bis zum Einbruch der Dunkelheit zu schaffen." Kurz blickt sie vom Einen zum Anderen, ehe sie flussabwärts dem Vogel nachgeht.
Amira wartet kurz, bis Sirgal zu ihr aufgeschlossen hat. "Schaffst Du es noch bis in das Dorf?", fragt sie leise und schaut dabei kurz zu dem Vogel hoch.
Sirgal nickt langsam. Ihre Augen sind inzwischen rot, die Haut des Gesichtes bis auf Wangen und Nase blass. Schritt um schritt geht sie weiter - will gar nicht darüber nachdenken, was Wärme für eine katastrophe bewirken würde. Sollten sie wirklich ein Gasthaus erreichen, würde sie einen Zusammenbruch kaum mehr verhindern können.
"Für Deinen Hals.", meint Amira und reicht Sirgal die Phiole mit den Fenchelsamen, "Sobald es möglich ist, mache ich Dir eine vernünftige Mischung und dann wird richtig geschlafen." Die Erschöpfungszeichen an ihrer Freundin waren ihr nicht entgangen- sie selbst sah wohl auch nicht viel besser aus. Reste von eingetrocknetem Blut auf dem Mantel, kalkweiss im Gesicht, Ringe unter den Augen- alles andere als frisch, fröhlich und vertrauenserweckend...
Sirgal nimmt die Phiole langsam, steckt ein paar der Samen in den Mund und beginnt sie zu kauen. "Hab ich erwähnt, dass Fenchel nicht zu meinen Lieblingspflanzen gehört?" murmelt sie leise, bedankt sich dann aber. Ein paar Schritte später stürzt sie das erste mal, rafft sich aber wieder auf und geht scheinbar unbeirrt weiter.
"Könntest auch den Salbei kriegen- aber der klebt immer so in den Zähnen fest.", entgegnet sie grinsend. Als Sirgal stürzt, ist Amira sofort da, um ihr wieder aufzuhelfen. Immer wieder schaut sie zu dem Falken hoch, doch der fliegt nach wie vor in grosser Höhe voraus.
Sirgal spricht nicht mehr, geht einfach weiter und behält dabei ein relativ gutes Tempo bei - sie geht zwar langsam, aber so stet, dass sie gut vorankommen, egal wie die Wegverhältnisse sind. Sie lässt sich weder von Schneewehen oder Löchern noch von vereisten Stellen schrecken und setzt Schritt um Schritt. In diesem Fall macht sich die jahrelange Erfahrung vom allein Reisen bemerkbar. Da gab es auch kein Zögern oder Zaudern, wenn die Kraft am ende war - es gab nur gehen oder sterben.
Viktor hat seine Waffen wieder an den Plätzen verstaut wo sie hingehören. Als sie los gingen hat er den Soldaten noch einen längeren Blick nach geworfen, es forderte seinen ganzen Willen ihnen nicht noch irgendwas hinter her zu schicken, aber sein Augen blitzen. Er war sich sicher er würde einige der Soldaten irgendwann wieder sehen. Dann dreht er sich um und folgt der Gruppe wieder als Letzter.
"Bandage?", fragt Amira schlicht, als Sirgal das Bein einknickt. In dem Moment fängt der Falke an zu kreischen. Amira blickt auf und lächelt. "Wir sind fast da.", meint sie und deutet auf den Vogel, der am Himmel zu kreisen begonnen hatte.
Sirgal schüttelt nur den Kopf und geht langsam weiter. Das würde zu lange dauern. Es musste gehen. Es ging immer. Hätte man jetzt einen analytischen Blick auf ihren Körper geworfen, würden viele Nuancen von Rot dominieren. Es hämmerte in Sirgals Kopf vom Tragen des Gepäcks, ihr Rücken und ihre Beine Rebellierten. 'Weiter. Geh. Ignorier es, die anderen tun es auch...' denkt sie sich und versinkt wieder in stumpfsinniges Schreiten.
Amira nickt still und stapft ebenfalls weiter. Ihr Bein mit der eingerissenen Naht schmerzt schon lang nicht mehr- sie hatte kein Gefühl mehr darin, was sich jedoch wohl sehr schnell ändern würde, wenn sie erstmal wieder im Warmen war und die Blutzirkulation wieder richtig in Gang kam. Der feste Verband hatte ein erneutes Durchbluten zwar verhindert, doch sie würde nicht drum rum kommen, das Ganze von Grund auf neu zu versorgen. Zwischendurch immer noch feucht hustend, quält sie sich weiter, dabei dem Flusslauf folgend. In der Ferne wurden allmählich die ersten Häuser sichtbar- der Falke kreiste quietschend über der Ansiedlung. Amira blieb kurz stehen und sog tief die Luft ein, woraufhin ihr Magen gewaltig anfing zu knurren. "...Futter...", murmelt sie vor sich hin und wartet, bis der Rest aufgeschlossen hat, um dann ein schärferes Tempo vorzulegen.
Sirgal registrierte es kaum, dass da Häuser waren. Sie ging einfach weiter, nahm schon lange nicht mehr richtig wahr, was passierte. Im Augenblick wünschte sie sich spontan nach Neu Igraine in das Haus, was wohl ihr Neues dauerhaftes Heim werden würde. Dabei fiel ihr ein, dass sie Allister nie um Erlaubnis gefragt hatte, den permanenten Transmutationskreis einzurichten.... Aber so schnell der Gedanke da war, ebenso schnell versank er wieder in grauem Nebel. Gehen - immer weiter gehen...
Als Amira schneller wurde, blieb sie in ihrem Trott. Sie registrierte zwar, dass es schneller gehen sollte, Aber ihr Körper reagierte einfach nicht.