"Da ist sie schon länger nicht mehr. Komm - ich helfe Dir." Er griff Tha'Risha unter die Schultern und half ihr aus dem Sessel, um sie zu einem Bett zuu bringen. Wo sie in diesen Stunden schlief, war eigentlich egal - Hauptsache, sie kam zur Ruhe.
Der heiler resignierte. Er hatte nicht die Kraft und nicht die geringste Lust, sich auch noch mit einer tobenden Tha'Risha auseinanderzusetzen. "Wie Du willst." Mehr sagte er nicht, ließ sie los und verließ das Gästehaus, um weiter nach Sirgal zu suchen.
Erfolglos brach er die Suche eine Stunde später ab um nach Hause zurückzukehren und selbst zu schlafen. Sicher war Sirgal irgendwo untergekommen - er musste sich nie Sorgen um seine Frau machen.
Immer dieses "Mach das!", "Tu dies!" oder "Leg dich hin!". Es nervte Tha'Risha ungemein. Wann zum Donnerwetter war sie denn alt genug, um zu entscheiden, wo sie schlafen möchte? Sie hatte Verhandlungen geführt, Bündnisse geschlossen und musste sich von einem Männchen ins Bett schicken lassen? Sie schnaubte verächtlich und schüttelte den Kopf. In ihren Fingerspitzen kribbelte es und sie spürte, wie sie innerlich kochte. Sie kuschelte sich fest in die Ecke und starrte grübelnd ins Leere.
Im Zimmer gegenüber war Ry'Kah unterdessen vor Erschöpfung eingeschlafen. Das Narkosemittel wirkte auch noch nach und so schlief die Priesterin schnell ein. Dass sich Kharen noch im Raum befand, und einer der gardisten noch am Kopfende des Bettes saß, störten sie dabei nicht im Geringsten. Nur das unwohle Gefühl bezüglich der Tatsache, dass keiner wusste, wo Rel'Nag und die anderen waren, ließen sie unruhig schlafen.
Irgendwann war die Halbdrow eingeschlafen, doch statt sich ruhig und friedlich zu erholen, träumte sie intensiv. Lauter Wesen, denen sich begegnet war, tauchten in ihren Träumen auf. Wesen, die alle unterschiedlicher nicht sein konnten. Freundschaft, Verrat, Betrug, Liebe, Hass... Alle diese Gefühlsregungen schienen ungezügelt zu sein. Da waren Sirgal, wie sie damals Elaya zum ersten Mal sahen. Cyrgaya, wie sie auf dem Fest der Drachen zusammen das Banner des Grauen hissten. Sie sah Josephin, wie sie mit Arandil... Bilder, Szenen der Vergangenheit. Und jedes Bild begleitet von Emotionen. Schweiß stand ihr in der wachen Welt auf der Stirn. Doch Tha'Risha schlief.
Sirgal kam ins Haus der Gäste, als die Sonne eben aufgegangen war. Es musste noch vor der achten Stunde sein. Sie fand die schlafende Tha'Risha im Sessel - ging leise vorbei und hinauf in das Obergeschoss, wo sie den Drow und die kleine Frau wusste. Man hatte inzwischen die Tür repariert - und verbreitert. Sie grinste. Dann klopfte sie an und wartete auf Antwort.
Sirgal öffnete die Tür langsam und steckte den Kopf hinein. "Du schläfst wohl auch nie, oder?" fragte sie das Tier, sah, dass außer der Kleinen Frau niemand anwesend war, und meinte dann: "Ich bin ja schon wieder weg." Sie hatte noch immer etwas Stroh in Haaren und Kleidung, genauso wie viele Blutflecke der beiden verletzten Pferde dazugekommen waren.
Sie schloß die Tür wieder und überlegte kurz. Der Drow aus dem Gefolge der kleinen Frau konnte nicht weit von ihr entfernt sein. Sie klopfte auf gut Glück an die nächste Tür.
Wo keiner Antwortete. Narathil war eingeschlafen gewesen und hatte sich irgendwann in der Nacht noch einen kleinen Alkoholrausch zugelegt um schlafen zu können.
Sirgal drückte die Klinke - öffnete und sah in den Raum hinein, ob er leer war... Dann hörte sie das Gekreische von Draußen. 'Ne, jetzt dürfte er begriffen haben, wie dumm es war, den verband abzuknabbern', dachte sie.
Narathil lag nicht im Bett, aber es sah benutzt aus. er lag, von der Türe aus verborgen, im lehnsessel, hatte die Beine auf dem Hocker und nebensich nur noch die zu einem viertel gefüllte Bradyflasche.
"Mist", fluchte Sirgal leise. "Du könntest Dich wirklich mal selbst um Deine Rasselbande kümmern, mein Lieber!" Sie stieß mit einem Seufzen die luft aus. "Und was mach ich jetzt?" Sie wandte sich zum Gehen und zog die Tür wieder heran.