"DU schon wieder?" Die alte Ilharess rollte mit den Augen, als sie Lorrindes angesichtig wurde.
Der Körper Ry'Kahs lag ausgestreckt in der grauen Ebene, ein Arm halb unter dem Kopf, die Hand ohne jede Spannung. Sie lag mit dem Rücken zu Tha'Risha und regte sich nicht.
Lorrinde hatte sich neben der leblos wirkenden Tha'Risha auf die Knie und suchte nach dem Puls für die Wachen hatte sie nur ein gefauchtes " Heiler und zwar schnell !! " übrig. Die Worte Ry'Kahs liessen sie in ihrer Handlung erstarren-wobei es weniger die Worte waren...dieser Tonfall...der Dissakkord in der Harmonie die ihre Ilharess für sie darstellte." Oh Schatten" wisperte sie unglücklich und hob langsam den Blick hinüber.
In der anderen Welt, wo Gedanken Welten bewegen konnten, brachte der Gedanke an ihre Schwester, sie zu Ry'Kah. Tha'Risha ließ sich neben ihr nieder und nahm sie in den Schoß, strich ihr sanft durch die Haare. "Dalninil..."
Die Augen waren weiß - ohne jede Farbe. Ry'Kah bewegte sich nicht. Die Fremde überlagerte das Bewußtsein völlig, und so konnte Ry'Kah auch hier nicht reagieren.
Lorinde spürte wie Entsetzen und Zorn sich mischten.. und zu einer kalten Mischung wurden " ja ich bin auch höchst erfreut euch zu sehen" triefender Sarkasmuss um jagende Gedanken zu verbergen " habe ich eure kleine Privatpartie irgendwie gestört?" Ohne den Blick abzuwenden löste sie einen kleinen Beutel vom Gürtel, verfluchte den Umstand die Gitarre nicht hier zu haben.
Etwas anderes aber wurde hier in der grauen Welt sichtbar. Ry'Kah hatte ja seit Jahren eine vom Warpstone ins schneeweiße mutierte Hand. Im Augenblick war der rote Rand, der das Weiß zum Schwarzen Gewebe absetzte, nicht sichtbar - und die schwarze Haut schien sich auszubreiten...
Tha'Risha sah die Veränderung und interpretierte sie dahingehend, dass die fremde Ilharess mehr und mehr Macht über Ry'Kah gewann. Die Halbdrow umklammerte die mutierte Hand und schloss die Augen. Hier in der anderen Welt, wo Zeit bedeutungslos war, versuchte Tha'Risha die Energien in sich zu rufen. Sie wusste, dass ihr Körper draußen in der Wirklichkeit sterben würde, wenn sie zu lange hierbliebe oder sie Dinge tat, die ihm schadeten. Doch welche Wahl hatte sie denn? Sie stand am Abgrund und musste nur einen winzigen Schritt weitergehen. Tha'Risha wusste, wie groß die Versuchung war, doch sie ahnte auch, dass sie bei jedem Besuch in diesen Ebenen stärker werden konnte, diesen Versuchungen zu wiederstehen. Die Halbdrow umklammerte Ry'Kahs Hand und lauschte auf das Pulsieren ihrer eigenen Energie. Ein Gedanke manifestierte sich stark in ihrem Bewusstsein, ein Band wurde ihr gewahr. Hier, wo Gedanken wie Taten waren, nutzte Tha'Risha eine Verbindung, die von Ry'Kah ausging. "Yaru..." Dann griff sie auf die Energien zu, packte sie in ihrem Geist. "Areion lil vidennen d'elghinn... Usstan lar whol l'yorn ulu sila ilta rath, Usstan lar whol l'yorn ulu quanth vel'bol zhah mu'll. Usstan lar whol l'yorn ulu sila ilta rath, Usstan lar whol l'yorn ulu quanth vel'bol zhah mu'll...." Sie brachte ihren Geist in Einklang mit dem Pulsieren der Energien und kanalisiert sie in Richtung Ry'Kah, versuchte sie von innen zu stärken.
In der wachen Welt begann sie zu zittern, ihr Atem und Puls waren kaum feststellbar und der Schweiß stand auf ihrer Stirn, während ihre Lippen lautlos Worte formten. "Usstan lar whol l'yorn ulu sila ilta rath, Usstan lar whol l'yorn ulu quanth vel'bol zhah mu'll."
In der Ferne der grauen Ebene begannen Lichter zu schimmern. Einzeln zuerst, dann kamen immer weitere dazu. Wie kostbare Edelsteine oder nahe Sterne hingen sie in der Luft, kamen langsam näher. Es war, als ob freundliche Stimmen sich unterhielten, ein sanfter, lauer Sommerwind über die Ebene strich. Die Lichter kamen immer näher, funkleten, glitzerten von reinstem Weiß, aber ohne zu blenden. Sie waren Wärme, Nähe, Liebe...
Die hand Ry'Kahs veränderte sich nicht mehr. Sie nahm das gleiche Weiß an, in dem auch die Wesen schimmerten.
"Komm... geh weiter! Gib ihr mehr... Du brauchst es nicht mehr... Bleib bei uns..."
Tha'Risha hielt immer noch Ry'Kahs Hand und versuchte, die Verbindung aufrechtzuhalten. Sie nutzte die Bahn zu Yaru in der Außenwelt. Die Lichter lenkten sie für einen Moment ab, doch er reichte aus, dass ihr Geist strauchelte, sie für Sekundenbruchteile die Verbindung verlor. Doch sie fing sich wieder. "Nau!" Tha'Risha sah auf und suchte in den Lichtern nach etwas Bekanntem, ein Gesicht, eine Geste, eine Stimme... Ry'Kah war ihr Anker und sie war Ry'Kahs Anker in dem Augenblick.
Ein sanftes gesicht einer menschlichen Frau war da, deren Stimme nur noch im Herzen Tha'Rishas lebte... "Kind... was bist Du für eine wundervolle Frau geworden!" Sie weinte. Ein anderes Frauengesicht war ebenfalls dort. Still, verschlossen, fast schüchtern, mit tiefblauen Augen und schweren Lidern. "Tha'Risha - liebe Freundin - bleib diesmal bei mir! Es war schon schwer genug allein zu sterben." Ein Ring mit einem dunkelroten Stein zierte ihre Hand. Auch das Abbild eines schwarzen Drachen war da...
Tha'Risha stockte der Atem. "Josi? Ich..." Tränen rannen ihr über das Gesicht, doch sie hielt den Kontakt zu Ry'Kah. "Vergib mir Josi..." 'Bleib stark,' mahnte sie sich selbst, als ihr Blick zu Lorienna ging. Sie verschloss die Augen, doch dann hob sie den Blick zu der anderen Frau. Stumm aber bitter waren die Tränen, deren Schmerz tiefer saß als alles andere in ihrem Wesen. Tha'Risha vermochte nichts zu sagen, doch ihre Sehnsucht nach dieser Frau, trotz allem, was sie ihr antat, trotz der verweigerten Liebe, diese Sehnsucht war stark - unglaublich stark. Sie ließ Ry'Kah los. "Mutter..."
Die Hand der Priesterin fiel zu Boden, Ry'Kahs Kopf sank zur Seite. Tha'Risha war ihr halt gewesen - ohne sie war es nur eine leere Hülle. Die offenstehenden Augen waren Blicklos ins Leere gerichtet.
Die Frau, die Tha'Risha weinend begrüßt hatte, kniete nieder und breitete die Arme aus, um ihr Kind zu sich zu holen...
Das war etwas, dass sie sich seit unzähligen Jahren wünschte. Tha'Risha zögerte nicht, sondern lief auf ihre Mutter zu, sie endlich in die Arme zu schließen. Alles um sie herum war vergessen, es gab nur den einen Moment. Sie kam auf sie zu, spürte den Stoff des Kleides und roch den Duft, den sie nur aus der Erinnerung kannte.
Draußen vergingen nur einige Sekunden, doch in dieser Zeit verschlechterte sich Tha'Rishas Zustand zusehends. Sie weinte.