Hrothgar schwieg, als er den Blick von Sirgal sah. Er hatte genug geredet, jetzt wollte er sehen, ob Sirgal auch mal Dinge von sich gab, die sich nicht wie ein Orakelspruch anhörte.
"Auch wenn der Blaue ein Leichtmatrose zu sein scheint, Hrothgar, so ehrt ihn und seid ihm treu im Dienst. Er hat es nicht anders verdient." Sie hob den Blick und ihre Stimme war leise und dunkel. "Ich habe viel erlebt auf dem letzten Fest, und ich habe fast angst vor dem, was kommen wird." Sie sah ihm wieder in die Augen. "Habt ihr den Hilferuf der Kaiserin Phaedana gehört?" fragte sie.
Hrothgar schüttelte den Kopf. "Sirgal, vorhin habt ihr gesagt, das diese Stadt nicht mehr existiert. Jetzt fragt ihr, ob ich einen Hilfefruf von der Herrscherin einer Stadt gehört haben soll, die nicht mehr existiert."
Er griff an den Gürtel, zog seinen Dolch, und schnitt sich in die Handfläche der rechten Hand. "Meine Treue gilt während des Drachenfestes dem BLAUEN, so wie sie der Rest des Jahres meinem Eidherrn gehrört."
Hrothgar ballte die Faust, und hielt sie über die Kerze, die auf dem Tisch stand. Ein Tropfen Blut fiel zischend in die Flamme. "Dies schwöre ich bei meinem Blute."
Sirgal besah ihn sich und hielt dann ihre Hand darüber, ohne ihn zu berühren. Die Wunde war frisch, der Schnitt sauber - es agb nichts zu befürchten, wenn sie das jetzt tat... Sie sprach leise elbische Worte und ein leichtes, bläuliches Schimmern entstand, während der Heilzauber die Wunde schloss.
"Die erste Welt ist zwar vergangen, aber noch erreichbar. Kaiserin Phaedana erbittet unsere Hilfe."
Hrothgar staunte nicht schlecht. In dieser Frau steckte mehr, viel mehr, als sie nach aussen hin zu gab. Allmählich bekam er Respekt vor Sirgal. Er besah sich seine Hand.
"Hätte ich gewußt, das ihr einen Blutschwur als Beweis meiner Aufrichtigkeit und der Wahrheit meiner Worte akzeptiert hättet, hätte ich dies eher getan."
Dann schaute er Sirgal an: "Wenn ich damit dem Herrn der Freiheit helfen kann, dann ist es meine Pflicht, diesem Hilferuf nach zu kommen. Worum geht es?"
"In der zeit, in der wir damals lebten, gab es den Blauen noch nicht, Hrothgar. Die Kaiserin hat große Probleme mit dem Kupfernen, der einen gefallenen Elfen zurückrief, und diesen nun durch dessen Schwert beherrscht... Arazyr hat schon einmal eine Spur von Blut und Tod nach sich gezogen.""
Hrothgar überlegte. Im Gegensatz zu seinen Landsleuten verfügte er über einen scharfen Verstand, und konnte sich schnell auf neue Dinge einstellen.
"Fällt Weltenwacht an den Kupfernen, ist es mit der zweiten Drachenwelt vorbei. Denn wenn der Kupferne die Herrschaft über Weltenwacht erlangt, wird es die zweite Drachenwelt nicht geben, und auch nicht den BLAUEN."
"Der Blaue entstand, als der Bruderbund sich nach der Freiheit sehnte und sich zum kampf gegen den Kupfernen erhob... Aber ihr seht richtig. Der Kupferne strebt danach, die erste Welt vor dem Verfall zu retten, sie zu unterjochen, seine Brüder zu beherrschen und damit die Zukunft, unsere Zeit hier, zu verändern."
Hrothgar nickte. "Sirgal, ich bin kein Kämpfer wie mein Eidherr. Wenn ich kämpfe, dann hart und gemein, denn ich will siegen, und ich will lebend vom Schlachtfeld gehen. Mein Verstand ist scharf, und mein Rat ist bei meinem Eidherrn gefragt. Was ihr gerade gesagt habt, würde bedeuten, das der BLAUE niemals existieren würde, und das kann und WERDE ich nicht zulassen."
Hrothgar legte den blutverschmierten Dolch auf den Tisch. "Wenn die Kaiserin einen gemeinen, fiesen, verschlagenen Vinländer gebrauchen kann, bin ich ihr Mann."
"Habt ihr je gegen fanatische Streiter gekämpft, deren Mut an tollkühnheit grenzt? Und die jetzt auch noch von einem untoten Widergänger unterstützt werden, von dem keiner weiß, was er mit sich bringt?" Sirgals Augen schimmerten schwarz im halbdunkel.
"Fanatische Streiter? Sirgal, ihr habt euch vorhin mit einem unterhalten. Dem Bluthund der Nordenbündler. Ich kenne seinen Namen nicht, aber er ist ein fanatischer Jäger im Auftrag der Herren des Nordenbunds. Glaubt mir, ich weiß, was Fanatiker bedeuten."
Dann nahm der den Dolch beim Griff auf, und hielt die immer noch rot schimmernde Klinge in die Kerzenflamme. Das Blut begann zu verdampfen.
"Und was Untote angeht, ich habe vor Kurzem ein Abenteuer mit Herrn Berkenbrecht erlebt, und habe sowohl die Angst vor dem Tod als auch die Angst vor Geistern verloren."
"Sirgal! Verflucht, bei den Warzen am Arsch von Brann Blutbart! Seid ihr euch im klaren, was es bedeuten würde, wenn der BLAUE nicht mehr da wäre?"
Hrothgars Gesicht wurde eine finstere, wütende Maske. "Und wenn ich meine unsterbliche Seele opfern müßte, dann ist es für eine gute Sache. Für das Leben und die Existenz des BLAUEN!"