Die Tür der Gaststube schwang wieder auf, und Hrothgar kam wieder hinein, allerdings nicht alleine. In seiner Begleitung war ein Mann, dem sein Beruf sofort anzusehen war; Zimmermann. Leise sprach Hrothgar mit diesem Mann. Dieser gab Hrothgar einige Stücke Holz, die Hrothgar eingehend betrachtete und befühlte. Dann wählte er ein Stück Holz aus, gab es dem Mann, und sprach wieder mit dem Zimmermann. Dieser verbeugte sich ehrerbietig, nahm einen kleinen Beutel aus der Hand Hrothgars entgegen, und verliess wieder die Gaststube.
Hrothgar wandte sich wieder dem Tisch, wo Sirgal saß, zu. Er sah, das sie arbeitete, und setzte sich leise und sah zu, wie die Feder elegant und schnell über das Pergament flog.
Es entstand aus wenigen Strichen eine Sammlung von Bildern von verschiedenen Kräutern, Linien dahinter und ein paar Symbole, um die Linien später zu füllen...
Hrothgar stutzte. Da schien aber jemand in seiner Arbeit wirklich total versunken gewesen zu sein. Nun ja, das hatte er ja schon bei anderen Menschen erlebt.
Er lächelte: "Verzeiht, ich wollte eure Konzentration nicht stören. Ich sagte, das ihr eine begnadete Zeichnerin seid, und fragte, ob ihr vielleicht auch Bilder von den Drachen habt."
"Aber ja, natürlich." Als Sirgal die Feder weglegte, verschwand das bläuliche Leuchten um ihre rechte Hand und der blausilbrige Stern war wieder unschuldig auf ihrem Handrücken.
Sie nahm ein großes Buch auf, zögerte aber, es aus seiner Hülle zu nehmen und sah sich in der Taverne um. Es war ruhig. Also legte sie den Einband vor Hrothgar hin.
Der Buchdeckel war tiefschwarz und ein silbriger Drache blickte ihn an. Eine sonderbare Schrift war darunter. Der Buchrücken war aus rotem Samt. Vor ihm lag das Buch der Legenden.
Hrothgar spürte die Macht, die von diesem Buch ausging. Ohne seine Augen von ihm zu wenden, griff er in seinen Rucksack, und holte ein paar Handschuhe aus feinsten Leinen heraus, und zog sie an. Dann schaute er Sirgal fragend an:" Ihr erlaubt?"
Langsam öffnete Hrothgar das Buch. Eigentlich war es schon seltsam; da traf er hier in einem Gasthaus, wo er eigentlich nur Rast machen wollte, um Holz für die Reparaturen an dem Schiff von Herrn Berkenbrecht zu kaufen, auf Sirgal. Das sie hier mit einem der verdammten Hund des Nordenbunds gesprochen hatte, hatte ihn zwar sehr gestört, aber der war ja weg. Und nun steckte er seine neugierige Nase in eines der Bücher, die mit dem Drachenfest verbunden war. Innerlich seufzte er. Das wird noch ein Tanz mit Herrn Berkenbrecht werden, wenn ich ihm sage, das ich den Eid für das Drachenfest aufkündigen werde, dachte er während er die Bilder und Texte des Buches betrachtete. Sie waren von unvergleichlicher Kunstfertigkeit, und die Texte waren so gestochen scharf, das es ein Vergenügen war sie zu lesen. Langsam blätterte er durch das Buch.
"In den letzten Jahren durchaus. Sie ist eine dunkle Schönheit mit funkelnden, tiefbraunen Augen und lockigem Haar. Aber man sollte sie niemals unterschätzen. Sie ist kalt wie der Stahl einer Klinge, und Hass, Trauer und Wut sind eine sehr gefährliche Mischung." sie sah Hrothgar an. "Wenn ihr die Drachenlande bereist, vergesst bitte niemals, dass die Avatare die gesandten Abbilder der Drachen sind, damit die sterblichen Völker ihre Nähe überhaupt ertragen können. Sie sind die Drachen selbst."
Hrothgar lächelte. Er hatte schon einiges an Liebesabenteuer überstanden, aber selbst er wäre nicht so verrückt, um mit einem Drachen anzubandeln, so schön auch die Larve wäre, die er trug.
"Herr Berkenbrecht machte auch schon mal so eine Bemerkung, das der Silberne recht gefährlich wäre."
Dann schaute er nochmals in das Buch, das vor ihm lag. "Sagt, Sirgal, habt ihr auch ein Bild von der Skaldin? Die, die das Herz des Roten so berührte?"
"Schaut weiter hinten. Da ist eine Skitzze von Phaedana, der Kaiserin von Weltenwacht, die eine entfernte Ähnlichkeit mit der Silbernen hat - und ein Bild von Mae. Sie ist einst die gewesen, die Cuirina jetzt ist."