"Rath'arg!" sagte Sirgal noch, als Hrothgar ging. "Nie wirst Du vor deinem Schicksal weglaufen können Du bist längst an die Drachen gebunden. Dein Schiff trägt SEINEN Namen. Auch Dein Schicksal steht nicht länger auf einem unbeschriebenen Blatt. So wie ich niemals geahnt hätte, was Weltenwacht mir antun würde, wage ich dennoch nicht, die Pläne meines Herrn in Frage zu stellen. Auch ich hebe grhadert, gezögert - zauderte und begehrte auf." Sie schüttelt den Kopf.
Dann schnaubte sie leise - und diesmal ging ihr ein Lied durch den Kopf, dessen Zeilen sich zäh und langsam immer länger woben. Es ließ sie nicht mehr los, seit sie den bann gewoben hatte und umschlang ihre Seele immer fester. Hrothgar musste die Melodie inzwischen kennen.
"Einst, lange schon, tobte Krieg der Drachen so fern. Gebunden, dem Roten in Treu' Folgt' der Schwester ich gern Seit' an Seite im Kampf standen wir immer wieder aufs Neu' Woben Zauber und Bann und die Kraft formierte sich frei.
Das, was ich war, ist nicht mehr - Erinnerung nur. Doch dann ausgesandt durch die Zeit stehe ich wieder hier... Kenne Stadt und das Land doch die Freunde sind Fremde nun mir Niemand sieht, wer ich bin was ich war Ein Schatten ist hier.
Dann wieder neu rief mich Grau..."
Sie brach ab, traurig den Kopf schüttelnd. "Geh. Versuch vor Dir selbst wegzulaufen. Es wird Dir nicht gelingen."
"Er läuft nicht vor sich weg, es widerstrebt ihm, sich mit seinem Schicksal abzufinden."
Eine sanfte, melodische Stimme ertönte aus dem Schatten neben der Tür zum Treppenhaus. Aus dem Schatten trat eine Gestalt. Klein, lange schwarze Haare, dunkel gekleidet, über den Schultern ragen die Griffe von zwei schlanken Kurzschwertern. Langsam entfernte die Gestalt den Schleier, den sie vor dem Gesicht trug, und enthüllte ein weibliches, sehr zartes Gesicht, dessen Augen leicht geschlitzt waren.
Anmutig verneigte sich die Gestalt vor den Anwesenden. "Verzeiht, ich bin Nariko, eine Gefährtin von Hrothgar und seine .... Bordheilerin."
Die junge Frau hob ihr Gesicht in Richtung der Stimmen, als könne sie die Gesichter der Sprechenden betrachten. Ihre Lippen hingegen bleiben verschlossen, ihre Hände ruhen auf dem weißen Holz der Harfe.
Als Hrothgar durch sein Weggehen das Blickfeld freigab, fiel Sirgals Blick auf die Harfe. "Das ist doch... Verzeiht, meine Liebe, seid ihr Schülerin Cuirinas?"
Kurz zogen sich die Brauen Lendhelens zusammen und sie sah in die Richtung jener Frau die gesprochen hatte als könne sie ihr Gesicht mustern. Dann nickte sie langsam, kaum merklich wohl ehe sie auch zu einer leisen, beinahe betrübt wirkenden Antwort ansetzte: "Aye.. dem ist so.. " und leiser fügte sie hinzu "zumindest hoffe ich das.. "
"Vergebt mir Sera Sirgal, aber ihr habt recht und wieder unrecht." Die junge Frau lächelte freundlich. "Hrothgar mag es nicht, wenn ihn irgendjemand versucht zu binden. Er kämpft lieber gegen Titanen, als das er sich seinem Schicksal fügt. Das ist der Grund, warum er dem Blauen Drachen folgt."
Langsam sank sie in einer seltsamen sitzenden Stellung auf den Boden. "Ja, sein Schiff trägt in Anspielung auf den Blauen dessen Namen. Der blaue Weg ist auch der Weg, den er im Herzen trägt." Nariko kicherte. "Er trägt auch den Weg des Grauen in seinem Herzen, auch wenn ihr diesen Drachen mit anderen Namen belegt, wenn keiner seiner Anhänger in der Nähe ist."
Narikos Blick wurde ernst. "Er ist durchaus bereit, auch aussichtslose Kämpfe einzugehen, aber keine, die er nicht mehr beeinflussen kann. Ich spreche aus der eigenen Erfahrung, Sera Sirgal."
Sirgal sah abgelenkt zu der Frau aus den Ostreichen hinüber. "Er muß noch viel lernen, der ach so weise Herr Seemann." sie schnaubte abfällig. "Es gibt Dinge in den Welten, die er eben nochnicht gesehen hat - und sich einem Konflikt zu entziehen, indem man wegläuft, hat noch keinem geholfen. Nur weil er sich von mir anhören musste, dass eine Stadt voller alter Magier eben keine Schiffscrew ist, die man kommandieren kann, sondern die atemloses Feingefühl und stilles Lenken aus dem Hintergrund braucht, ist das kein Grund, die Segel zu setzen. Und ja - ich habe lange Zeit an der Küste verbracht und weiß, wovon ich rede."
Sie stand auf und humpelte zu der blinden jungen Frau hinüber. "Vergebt mir meine Unhöflichkeit. Mein Name ist Sirgal..."
Sie blinzelte ungläubig, als sie den Namen hörte und schien einige Augenblicke zu brauchen um ihre Gedanken zu sortieren. Dann nickte sie und sprach, diesmal in bemüht ruhigem Ton weiter. "Ich hörte euren Namen bereits aus dem Munde meiner Lehrerin... einige male" und in den letzten Worten schien Schatten zu liegen. Dann senkte sie den Blick der ohnehin so verschlossen wie blind war und nur ihre Fingerspitzen hasteten unruhige über das helle Holz der Harfe. "Welch seltsame Fügung des Schicksals, euch zu treffen, Weberin von Bildern und Worten in Träumen und Legenden.. "
Jerkan hatte sich von Mika zwei Becher geben lassen, der eine gefüllt mit warmen herrlich duftenden Tee, der andere behinhaltete etwas Alkoholisches für ihn. Bei der Erwähnung des Namens Cuirina zuckte sein Blick, als wäre in ihm etwas ausgelöst worden. Er erinnerte sich an die Weisung seiner Herrin, als sie ihm von dem Gespräch mit Sirgal berichtete. Auf einige Namen sollte er achten und dieser war einer davon. Er stellte den warmen Tee vor die junge Frau. "Erschreckt nicht," sprach er sanft, als er ihre Hand berührte und sie zu dem Getränk führte. "Tee. Ich hoffe ihr mögt ihn." Dass, was Jerkan nicht unbedingt verhindern konnte, aber zu verschleiern suchte, war ein kurzes sanftes Kribbeln, als er sie berührte, als würde ein Windhauch über die Haut gleiten.
Nariko beobachtete. Hrothgar hatte sie darum gebeten, denn sie war für gewisse Dinge empfänglich; einst hatte sie einem Clan angehört, der seine weiblichen Angehörigen dafür ausgebildet hatte. Sie sah die Macht, die von den Personen ausging, und unterdrückte den ihr anerzogenen Impuls, ihre Schwerter zu ziehen, und gegen die Person, die diese Macht ausstrahlte, vor zu gehen. Langsam stand sie auf, legte ihren Schleier an, und verschwand in den Schatten. Hrothgar, Du hast gut daran getan, sich von diesen Menschen zurück zu ziehen, dachte sie. Sie sprach leise ein Wort der Macht, das den Kristall, den Hrothgar Sirgal gegeben hatte, unbrauchbar machte. Niemand aus der Crew würde sich jemals jemanden beugen, der Kontakt zu dem Stern des Chaos hatte, oder ihm Hilfe gewähren; Hrothgars Taten und Aussagen waren hier deutlich genug. "Lieber beuge ich mein Knie vor dem Silbernen, als irgendwann, irgendwo das Chaos zu akzeptieren."
Kurz zuckte ihre Hand, als der Fremde sie berührte. Da war etwas.. sie spürte es.. War es Magie? Es war - seltsam.. doch ungeordnet und wild, wie die Magie der Barden war, mehr noch, da sie nicht oder kaum geschult war bisher, lächelte sie und verstand es als eine Art Kraft, die sie nicht zu verstehen vermochte. "Danke.." sprach sie leise und das Lächeln verblieb auf ihren Lippen.
Dann, den Becher dampfenden Tees in der Hand, löste sich dieses Lächeln in Schatten auf, die von Kummer und Sorge sprachen und sie versuchte auszumachen, in welcher Richtung Sirgal sich nun befinden mochte.
"Ihr kennt meine Meisterin, aye? Kennt ihr sie gut? So gut, wie ich es annehmen darf, nach dem, was sie erzählte?" Und wieder waren es Sorge und Kummer die aus ihrer Stimme sprachen.
Sirgal blieb das Verschwinden Narikos keinesfalls verborgen - man sagte ihr Dinge nach, die andere Schaudern ließen. Die Botin sah keinen Grund, ein Gespräch mit der Fremden zu suchen, oder gar, sich von ihr aushorchen zu lassen. Von solchen Schattengestalten hatte sie eine ganz eigene Meinung, die nicht grade gut war. Sirgal kannte diverse Assassinen, Krieger und Kämpfer aus unterschiedlichsten Reichen - auch das Fest der Drachen wurde von vielen besucht, und sie schätzte einige sehr, doch nicht jeder schaffte den Weg über die unsichtbare Grenze.
Sirgal wies Mika an, einen Rundgang zu machen, und der wusste, was er zu tun hatte. Zwar gab Sirgal so auch Jerkan gegenüber etwas preis, aber das war derzeit das geringere 'übel'.
Sirgal war an der selben Stelle verblieben, um der Blinden einen Orientierungspunkt zu geben. "Cuirina ist sehr langer zeit meine Schwester", sagte sie leise.
Sie nickte langsam, nachdenklich wohl und die blinden Augen in die Ferne gerichtet. Als sie das Wort wieder erhob, war es nur leise und es würde nicht schwer zu merken sein, dass sie sich nicht sicher war, ob es gut war oder nicht sich dieser Frau zu öffnen. Doch obgleich ihre Augen trübe waren konnte man darin die Verzweiflung erahnen, die sie treiben mochte.
"Wann habt ihr sie zuletzt gesehen? Wann von ihr gehört?"
Jerkan hielt sich zurück und lauschte, behielt sie aber im Auge. Dann hob sich sein Blick zur Tür, als diese sich öffnete und eine Person in blauem Gewand hereinkam. Sie trug einen weißten Überwurf mit goßer Kapuze, die ihr halb im Gesicht hing. Ansonsten war die Kleidund über und über mit bunten Stickereien versehen. Ein Lächeln kam Richtung Sirgal.