Ihre Hand lag schon am Dolch. "Wie kannst du es wagen, Iblith! Wolfgar, hüte deine Zunge!" Ihre Stimme war schneidend kalt und in ihren Augen loderten Flammen. Ein abfälliges Schnauben war die Folge.
Sie wandte sich zu Barr'Estan :"Dieselbe bleiben? Nein, verzeih, aber das wäre Stillstand und das wäre der Tod meines Seins, meiner Identität. Das..." Sie winkte ab. "Das ist wohl ein Thema für eine Diskussion in einem anderen Rahmen."
Tha'Risha sah Wolfgar an und wies dann auf zwei Stühle. "Barr'Estan, lass und dort sitzen... und unsere Milch genießen!"
Barr'Estan schüttelte den Kopf: "Wieder missverstehst du mich. Ich meinte nicht, dass du DIESELBE bleiben sollst, sondern, dass du dir Treu bleiben sollst. Die Veränderungen sollten deinem Wesen entsprechen und nicht von außen hervorgerufen werden. Das ist es, was ich meine. Aber du hast Recht, das ist nicht der Ort und der Rahmen für derartige Diskussionen." Als Tha'Risha sich abwandte und zu dem besagten Platz - weit weg von Wolfgar - ging, warf Barr'Estan dem Druchii einen zornigen Blick zu und schüttelte den Kopf leicht, was wohl bedeuten sollte: 'Übertreibe es lieber nicht.'
"Ich denke nicht, dass ich dich missverstehe, ussta abbil. Doch bleibe ich mir stets selbst treu. Es ist das Prinzip der Welt. Veränderung!" Sie nahm Platz. "Du erinnerst dich bestimmt noch an Yaru Chaarak Eiiar. Erst im vergangenen Jahr ist mir ihr Wesen wirklich bewusst geworden. Ihrs und auch das Prinzip des Chaos."
Sie grinste schief. "Das Chaos verstehen? Ich bitte dich. Wer kann das schon? Nein, aber ich habe mich nun schon länger damit auseinandergesetzt und naja... Bin nicht mehr den gängigen Irrtümern aufgesessen. Du hast sicherlich schon mal von den angeblichen Chaosgöttern gehört. In Wahrheit sind dies nichts anderes als reine Aspekte des Chaos, Dämonen, wenn du so willst. Doch das Chaos ist mehr. Es ist das Urprinzip, aus dem alles entsteht und zu dem alles zurückkehrt. Chaos ist Vielfalt pur, unendliche Kombination in unendlicher Vielfalt." Sie machte bewusst eine Pause. "Alle, die zum Beispiel Khorne oder Tzeentch als Chaos verehren, machen denselben dummen Fehler, wie jene, die das Cjhaos als "böse" bezeichnen. Es sind Kategorien der Ordnung. Erschaffene Kategorien. Ordnung ist etwas künstliches..." Sie lachte. "Du siehst, ich habe mich damit beschäftigt."
Der Diener hatte den Wein bereits bei Schattenklinge abgestellt und schenkte den Gästen ein. Auch die Milch wurde wie gewünscht Tha'Risha und Barr'Estan serviert. Danach verzog er sich ein Stück in den Hintergrund und wartete auf weitere Anweisungen.
Barr'Estan hatte mir kraus gezogener Stirn zugehört und meinte dann grinsend: "Das klingt logisch. Naja eigentlich nicht. Aber verstehe ich dich dann richtig, dass das Chaos nur deswegen ein Chaos ist, weil es so VIELE unzählige Ordnungen hat? Ich pflichte dir bei, wenn du sagst, das Ordnungen etwas künstliches sind. Ein Beispiel aus meinem Milieu: Wenn es bei uns keine Offiziere gäbe, wäre unsere Schlachtreihe im Krieg das reinste Chaos. Und warum? Weil jeder seiner eigenen Ordnung folgt, wodurch wieder eine Menge an Ordnungen und damit Chaos entstehen. Ordnung ist demnach nur eine künstliche Instanz des Chaos, die nötig ist, damit es von unserem primitiven Geist erfasst werden kann." Er stutzte: "Habe ich das gerade gesagt?" Er grinste albern und fragte dann interessiert: "Habe ich das so richtig gesagt?"
Sie lachte. "Das reine Chaos kann es eigentlich gar nicht geben, jedenfalls nicht in dieser Welt und doch ist das Chaos das Urprinzip a priori in dieser Welt, denn es ist immanent in ihr enthalten. Allein durch die Tatsache, dass wir leben, geben wir dem Chaos Struktur, aber noch lange keine Ordnung. Ordnung ist etwas, das die Wesen benutzen um... hmmm sagen wir mal das Gefühl der Kontrolle zu haben. Chaos bedeutet stetiger Wandel und unendliche Vielfalt. Sie ist daher für einen Geist, der sich dem nicht öffnet, nie begreifbar. Die Natur ist Chaos, weil sie nur ihren eigenen Gesetzen folgt. Ein Wald wächst immer nach den Gesetzen der Natur, und nur die Wesen, die ihn begrenzen wollen, versuchen ihm künstlich eine Ordnung zu geben. Du darfst das Chaos nicht mit Willkür verwechseln. Das Chaos folgt seinen eigenen Gesetzmäßigkeiten und doch ist alles möglich." Tha'Risha grinste. "Ich weiß, sehr philosophisch."
Schattenklinge hatte Barr'Estan zugehört er stand da mit offenen Mund und verschüttete etwas seines Rotweins auf seinem Teppich, er versucht nach dem ihm sein Handeln aufgefallen war so zu tun als ob nichts geschehen war.
"Gut...Chaos ist nicht Willkür. Aber auf das Ganze bezogen ist es doch Willkür, oder? Wenn es eine unendliche Vielfalt bedeutet, dann ist jede Ordnung vertreten, die möglich ist. Und Willkür bedeutet ja nichts anderes, als, dass man aus der Unendlichkeit eine Möglichkeit herausnehmen kann und egal, welche es ist, es gibt sie." Er machte eine Pause. Dann fuhr er fort: "Ordnung gibt es also nicht...also auf das große Ganze bezogen gibt es sie nicht. Also ist das Chaos zwar strukturiert, aber das Hauptmerkmal dieser Struktur ist Unstrukturiertheit?" Er lachte wieder leise.
"Oh, Barr'Estan," sie grinste. "Verwende die Begriffe mit Bedacht. Nicht jede 'Ordnung' ist vertreten, sondern jeder Zustand, aber nur solange, wie er sich behaupten kann. Das wäre zum Beispiel ein Gesetz des Chaos. Nur das, was stark genug ist, das, was sich anpassen kann, kann sich im steten Wandel behaupten. Alles andere wird durch etwas stärkeres gnadenlos ersetzt. Deswegen ist im Chaos alles möglich, aber längst nicht alles präsent." Sie machte eine kurze Pause und sah amüsiert zu Schattenklinge. "Die Wörter Struktur oder Ordnung sind im allgemeinen Sprachgebrauch zu eng gefasst, um sie mit dem Urprinzip des Chaos in Verbindung zu bekommen. Nicht das Chaos folgt den Gesetzen der Welt, sondern die Welt folgt den Gesetzen des Chaos."
"Gut, dann sage ich nicht Ordnung, sondern Zustand. Das Gesetz der Stärke, was du genannt hast, verstehe ich, denke ich. Es erklärt letztlich, warum wir überhaupt existieren. Wir sind stark genug, uns im Chaos zu behaupten und wir verändern uns ja auch. Sei es nun geistig, indem wir lernen, oder körperlich, wie Yaru. Unsere Stärke ist wohl, das Chaos zu vereinfachen - natürlich nicht wirklich, sondern imaginär -, indem wir einen künstlichen Zustand um unser Dasein legen, den wir Ordnung nennen. Dass das Chaos nicht unseren Gesetzen folgt, sondern wir seinen, ist ja eigentlich klar. Wenn das Chaos allumfassend ist und uns beinhaltet, sind wir ja ein Ableger von selbigem."
"Ja, so kann man es sagen." Sie nickte ihm anerkennend zu. "Und wenn man hinter diese ganze Sache sieht und dies erkennt, dann steht einem der Weg offen für wahre Macht. Denn wahre Macht liegt im Chaos begründet. Und ein Schlüssel dazu ist das Wissen. Nicht nur das Wissen eines Volkes, sondern das tradierte Wissen der Welt. Körperliche Stärke ist schön, doch sie nützt dir nichts, ohne geistiges Potential." Tha'Risha überlegte eine Weile und fuhr dann fort. "Du kennst sicherlich diese massigen Krieger, welche dem Aspekt des Chaos folgen, der Gewalt, Krieg und Zerstörung verkörpert. Viele nennen ihn Khorne. Die Druchii nennen ihn Khaine. Wie gesagt, es ist nur ein lächerlicher Aspekt eines unendlich großen Komplexes. Und dieses "Blut für den Blutgott!" ist auch nicht mehr als ein hohles Gebrüll von Kreaturen, die den Sinn nicht verstehen. Ja, sie sind mächtig und stark und würden sicherlich eine enorm lange Zeit überleben, aber ihnen fehlt das Wissen zu erkennen, dass das Chaos mehr ist. Dies ist nur ein Beispiel aus unendlich vielen, das zeigen soll, dass der Geist, das Wissen, ebenso mächtig - wenn nicht sogar mächtiger ist - als das Schwert." Sie hob das Glas an, schloss für einen Moment die Augen und schaute gespannt auf Barr'Estan, das Glas immer noch in der Hand haltend.