Es ist nicht die Bewegung, sondern die Idee eines Atemzugs auf seiner haut, der Falk die Augen öffnen und Amira ansehen lässt. Seine Hand greift nach ihrem Hals...
Zuerst fühlt er nicht das Geringste...Da ist nichts ausser kalter Haut...Beinahe eine halbe Minute vergeht, als der dritte, schwache Schlag an die Oberfläche drängt...
"Kind - streng dich an!" stößt er aus. "Da ist etwas..." sagt er dann zu den anderen.
Noch hört Sirgal es nicht. Sie geht an der Tür von Kyrillas Zimmer vorbei und nach Draußen. Dort wandert sie lange durch die Straßen und zum Hafen hinunter, den Wall hinauf - bis sie an die Küstenbefestigung kommt. Zwischen zwei Wachtürmen, weit genug von jedem entfernt, um nicht gehört zu werden, bleibt sie stehen und starrt auf die See. Nach langen Minuten greift sie das Lied auf, dass sie im Kopf hatte und singt leise:
"Come by the hills to the land where fancy is free. And stand where the peaks meet the sky and the loughs meet the sea, Where the rivers run clear and the bracken is gold in the sun; And the cares of tomorrow can wait till this day is done.
Come by the hills to the land where life is a song. And stand where the birds fill the air with their joy all day long, Where the trees sway in time and even the wind sings in tune; And, the cares of tomorrow can wait till this day is done.
Come by the hills to the land where legend remains. The stories of old, fill the heart and may yet come again, Where the past has been lost and the future is still to be won; And, the cares of tomorrow can wait till this day is done. And, the cares of tomorrow can wait till this day is done."
Ein weiterer schwacher Atemhauch...Ein weiterer schwacher Herzschlag...So langsam...So schwach...Aber vorhanden...
Der Vogel, der immer noch auf der Verstrebung am Kopfende hockte, lässt von der Haarsträhne ab und flattert laut kreischend, den gleichen Weg hinaus, den er hineingekommen war. Knapp über den Dächern schiesst der Falke über die Stadt und kreischt geradezu infernalisch...
Sirgal hört die Schreie des Vogels - deutet sie aber als dessen Schmerz über den Verlust der Freundin. Sie bricht ab und bleibt im Wind stehen, der an ihren Haaren zerrt. Das Salz und die Kälte sind ehrlich, echt. So wischt der Wind die tränen fort.
Urplötzlich wie aus dem Nichts schiesst der Vogel dicht an ihrem Kopf vorbei, wobei seine Flügelspitzen Sirgal beinahe streifen. Er fliegt ein kleines Stück auf die See hinaus und schlägt völlig unvermittelt einen Bogen, um dann direkt auf die Botin zuzustürzen. In letzter Sekunde vor dem Zusammenprall, dreht das Tier ab und fliegt wieder ein Stück in Richtung Festung...
...Dort hat sich nichts verändert. Unendlich schwache Herzschläge und Atemzüge in beängstigend langen Abständen...Doch die Tatsache, dass sich in dem vermeindlichen Leichnam doch noch etwas regte, was man als 'Leben' bezeichnen konnte, war unumstösslich...
Der junge Heiler, den Allister vorhin am Kragen gepackt hatte, räuspert sich unsicher. "V-Verzeihung, Sir...Aber ich glaube nicht, dass...Ich meine...seht sie Euch an..."
Der Vogel dreht wieder ab und landet neben Sirgal auf der Mauer. Er trippelt zur ihr heran, ganz ähnlich wie er es in der Taverne getan hatte. Geradezu ungeduldig fiepsend, streckt das Tier den Kopf aus und zupft hartnäckig an ihrem Ärmelstoff...
Der junge Heiler zuckt zusammen, salutiert zackig und rennt mit zwei anderen im Schlapptau in den Nebenraum, um zusammenzusuchen, was eventuell nützlich sein könnte...Amira selbst sieht nach wie vor aus wie ein Leichnam und nur bei sehr genauem Hinsehen war zu erkennen, dass sie langsam im Begriff war wieder zu kommen...
Der Falke lässt nicht von Sirgal ab. Immer wieder zerrt er an ihrer Kleidung, sodass der Stoff bald reissen würde, wenn er so weiter machte. Immer wieder schaut er zur Festung zurück und fiepst aufgeregt...
"Ich weiß doch, dass sie dort ist" haucht Sirgal fast tonlos. "Aber ich kann es doch nicht ändern..." wieder stehen ihr Tränen in den Augen. "Ich habe Dein Frauchen nicht retten können. Lass mich also..."
Der Falke lässt sich nicht beirren und tat, was er bei Amira auch immer getan hatte, wenn er sie irgendwo hinführen wollte/ sollte. Sirgal könnte diese Verhaltensweise aus den vergangenen Tagen kennen. Der Vogel hockt sich vor sie hin, schnappt sich eine Haarsträhne und zieht vorsichtig in die Richtung, in die er sie 'haben wollte'...In Richtung Festung...
...Dort kam inzwischen der junge Heiler mit hochrotem Kopf und einem hölzernen Tablett voll von klimpernden Phiolen zurück- offenbar wurden soeben die Alchemievorräte geplündert. "Das ist alles, was ich auf die Schnelle zur Kreislaufstärkung finden konnte, Sir.", meint er zurückhaltend, als er Falk das Tablett in Reichweite abstellt und zusieht, dass er Land gewinnt...
"Lass mich doch", sagt Sirgal nochmals unter Tränen leise, gibt dann aber dem Zerren nach. "Ich komme ja. Was willst Du nur?" Unterwegs wischt sie sich die Tränen weg und reibt sich mit einer Handvoll Schnee über die Augen. 'Du wirst als die Heulsuse in die Annalen Neu Igraines eingehen, meine Liebe', denkt sie sich.
Falk sucht aus den Flacons einen heraus, nimmt ihn und beginnt, die flüssigkeit Tropfenweise in Amiras Mund zu geben, so dass sie nciht zu schlucken brauchte, und sich auch nicht verschlucken würde...
Der Vogel hebt ab und fliegt in Kopfhöhe vorraus, sodass Sirgal im leicht folgen konnte. Schnell sollte ihr klar werden, dass er sie ins Lazarett zurückführte. Zwischendurch landert er immer mal wieder auf der Schulter der Botin und zupft wie zuvor an eienr Haarsträhne, um quasi seinen Standpunkt klar zu machen...
...Langsam rinnen die einzelnen Tropfen ihre Kehle hinunter und es scheint eine Ewigkeit zu dauern, bis die Wirkung einsetzt...Doch nach quälenden Minuten wird der Puls langsam kräftiger und die Atmung unwesentlich tiefer...Wenn man ihr nun die Augen geöffnet hätte, könnte man sehen, dass die Pupillen wieder auf das Licht reagierten...
Falk saß nach we vor auf dem Boden neben dem Bett - etwas anderes ging derzeit auch nicht mehr. Er hatte Amiras Kopf sich wieder an die Schulter geholt, um die Einnahme besser überwachen zu können. "Komm schon..." sagte er leise.
Sirgal hatte einen Marsch von einer halben Stunde vor sich - sie musste Neu Igraine komplett erst einmal queren.