Als es ruhiger wurde, summte Sirgal erst wieder eine leise Melodie, einen Refrain, den sie dann leise sang:
"Wir sind alle Kinder der Sterne Kinder der Liebe Kinder des Glücks... Wir sind die Hoffnung Sehnsucht und Träume Wir sind das Leben dieser Welt..."
Es war eine einfache kleine Melodie, die aus Kindertagen stammte - als sie irgendwann in einem Gasthof gesessen hatte und mit einem mann sprach, der ihr nie wieder begegnete - und doch hatte sie das Gefühl, ihn schon ewig zu kennen. Auch er hieß John.
Amira machte unverdrossen weiter und kippte irgendwann das Gemüse, die gehackten Kräuter und eine gute Portion der Teigwaren dazu. Noch etwas Wasser hinein und Deckel drauf- sie würde später würzen. Während sie mit Charly zusammen schonmal einen Teil des nicht mehr gebrauchten, dreckigen Materials abwusch und Pip Geschirr nebst Besteck für später raussuchte, begann Amira unvermittelt eine andere leise Melodie zu summen und schliesslich zu singen.
"Kein Tropfen im Becher mehr und der Beutel schlaff und leer Lechzend Herz und Zunge Angetan hat's mir dein Wein, deiner Äuglein heller Schein Lindenwirtin du junge, Lindenwirtin du junge
"Angekreidet wird hier nicht, weil's an Kreide uns gebricht" Lacht die Wirtin heiter "Hast Du keinen Heller mehr, gib zum Pfand den Ränzlein her Aber trinke weiter, Aber trinke weiter"
Tauscht der Bursch sein Ränzlein ein gegen einen Krug voll Wein Tät zum Gehen sich wenden Spricht die Wirtin: "Junges Blut, hast ja Mantel, Stab und Hut Trink und laß Dich pfänden, Trink und laß Dich pfänden"
Da vertrank der Wanderknab Mantel, Hut und Wanderstab Sprach betrübt: "Ich scheide... Fahre wohl du kühler Trank Lindenwirtin jung und schlank, lieblich Augenweide, lieblich Augenweide"
Spricht zu ihm das schöne Weib: "Hast ja noch ein Herz im Leib Laß mir's, trauter Wandrer" Was geschah, ich tu's euch kund: Auf der Wirtin rotem Mund Brannte heiß ein andrer, Brannte heiß ein andrer
Der dies neue Lied erdacht sang's in einer Sommernacht Lustig in die Winde Vor ihm stund ein volles Glas, neben ihm Frau Wirtin saß Unter blühender Linde, Unter blühender Linde"
Blake seufzte leise und kuschelte sich regelrecht ein. Jetzt in diesem Moment war alles in Ordnung...
Sein Ankuscheln genoß wiederum Sirgal, auch wenn das schlechte Gewissen blieb. Andererseits ... sie hatte auf diese Weise schon wildfremde Männer im Arm gehabt, die ihr weit unangenehmer gewesen waren. Ihre hand liebkoste seine Wange. Sirgal zog die Decke in seinem Rücken etwas hoch, damit er an den Schultern nicht kalt wurde. Das Feuer war heruntergebrannt und der Raum kühl. Sie saß nur in dem dünnen, weichen Hemd da, dass Pip für sie ausgesucht hatte. Die Wärme kam von dem Genießer in ihrem Schoß.
Fox lauschte aufmerksam. Das war ein lied, welches wohl von hier stammte. Sie fragte danach, als Amira endete.
"Ich habe es vor einer Ewigkeit mal in einer Taverne gehört.", antwortet sie auf Fox' Frage. "Ist irgendwie hängen geblieben- passiert mir öfters.", lachte Amira, "Ich hoffe, es war nicht allzu schief. Na ja- der Eintopf muss jetzt erstmal eine Weile vor sich hinköcheln. Später noch Nachwürzen und fertig."
Blake lag nebenan ganz ruhig und genoss in vollen Zügen, da er nicht wusste, ob er jemals wieder dazu kommen würde. In dem Moment störte er sich nichtmal daran, als Sirgal über seine Erinnerung aus Caspia strich, welche sich vom linken Jochbein bis unter's Kinn verlaufend in Form einer Schnittnarbe manifestierte.
Sirgal hatte die Narbe gespürt, doch da er nicht reagierte, schien sie ihm nicht weh zu tun oder es unangenehm zu sein. Sie erinnerte sich plötzlich an ihren alten Freund Aly'Triss. Sirgal beugte sich etwas vor und warf einen Blick auf die Narbe. Sie erinnterte sich daran, was sie bei Triss gemacht hatte... das Gewebe war danach viel feiner gewesen. Zwar war die Narbe nciht verschwunden, doch sie war weich und glatt.
Sie wagte nicht, Blake grade darauf anzusprechen. Dazu würde irgendwann später auch zeit sein. Ihre andere hand schob sich in Blakes Rücken.
Amira legte den Kopf schief. "Hm...gute Frage...Ich glaub' ich hab vorhin eine Flasche RUm gesehen, aber ob sonst noch was da ist, weiss ich nicht.", meinte sie. "Oder kannst Du auf die Schnelle was organisieren?", fragend schaut sie Kyrillas an und dann zu Fox, "Oder haben Sie was auf Tasche?"
Die Verletzung im Gesicht war noch kein Jahr her, das würde ein geübtes Auge erkennen. Die Naht an sich war gut abgeheilt, aber trotzdem leicht gewölbt, wenn auch nicht wulstig- es lag irgendwo dazwischen. Im Rücken würde sie weitere Spuren ertasten- wenn ihre Erinnerung daran noch frisch war, würde sie feststellen, dass ein Grossteil der 'Dellen' mit dem Brandwunden aus dem Alptraum des Grünäugigen übereinstimmten...
Sirgal runzelte unwillkürlich die Stirn. Das würde sie sich gern mal in Ruhe ansehen. So strich sie aber einfach weiter auf seinem Körper entlang und verdrängte das Bild aus dem Traum.
Blake würde es zulassen, wenn sie ihn danach fragen würde, was wohl auch deutlich wurde, dass er nicht zurückzuckte oder sich sonstwie unbehaglich bewegte, als sie damit in Berührung kam.
Er öffnete die Augen und schaute sie ruhig an. "Wenn Du magst, dann kannst Du es auch gleich tun.", meinte er, "Das da nebenan riecht nach Eintopf- das braucht ewig, bis es durch ist."