"Rathaus?" sie lachte. "Ihr seid nicht aus Gullminne, nicht wahr? Lasst das Rathaus in Euren Notizen mal weg, Valerian. So etwas gibt es hier nicht. Aber was wollt ihr denn wissen über ihn?"
"Alles, so präzise und lückenlos wie möglich. Alles, was ihr auf die Schnelle in Erfahrung bringen oder mir zur Suche raten könnt."
Valerian klappte sein Büchlein hastig zu, doch vergaß die Schreibfeder heraus zu nehmen. Abermals tupfte er einen Klecks aus dem Buch.
"Vielleicht kennt ihn jemand persönlich oder schlimmstenfalls ist er sogar gesucht.."
Sein aufmerksamer Blick wanderte über Sirgals Hals, als er sich seine Locken aus der Stirn strich. Eine auffällige Schliere aus Tinte blieb dort zurück.
Die Botin sah ihn an. "Ich werde Euch Informationen beschaffen - doch Meister Khalek wird sie von mir direkt erhalten. Nicht über Euch. In der Abenddämmerung werde ich ihn aufsuchen. Wollt ihr eine Bestätigung des Auftrages? Ich werde ein Goldstück dafür bekommen."
"Ich habe die Befürchtung, dass es zu unser aller Nachteil sein könnte, ihn heute noch einmal zu stören.. Er war eindeutig in seinen Ausführungen, dass niemand außer mir mit dem Bericht Morgen in der Frühe zu ihm vorgelassen wird. Genaugenommen dürfte nicht einmal sein Name bei der Suche fallen, was natürlich vor eurem wachen und bezaubernden Antlitz- wenn ich das so formulieren darf- schwer zu verbergen wäre, da ihr den Meister und sein Personal kennt."
Er bemerkte die Tinte an seiner Handfläche und rieb mit einer leicht beschämten Miene daran herum. Der leuchtende Tintenfleck an seiner Stirn schien das gesamte Gespräch der Lächerlichkeit preizugeben.
"Dennoch, sei euch der großzügige Lohn von einem Goldstück gewährt und selbstverständlich auch die Anerkennung eurer Mühen in Form eures persönliches Siegels auf den Informationen für den Meister, wenn ihr sie des Morgens bei mir im Gästehaus abliefern könntet. Mich drängen derweil noch weitere Verhandlungen. Kommen wir überein?"
"Dann soll es so sein. Ich werde Euch morgen ein gesiegeltes Dokument für Meister Khalek übergeben. Hat er sich eigentlich schon über das Grundstück geäußert?"
Valerian warf Sirgal einen leicht irritierten Blick zu.
"Das wäre die Aufgabe, die ich mir als nächstes vornehmen würde. Er war recht spärlich in seinen Beschreibungen, bezüglich des Objekts... Sei es drum, ich vermute, dass er sich nicht mit weniger als dem Besten zufrieden geben wird. Vermutlich wird man mir im Amt der Herrscherin weiterhelfen können. Obgleich... nicht unbedingt "wollen"..."
Er schaufelte sein Schreibzeug mit einer ungestümen Handbewegung in seine Tasche und erhob sich von seinem Platz. Auf seinem Schuh waren ebenfalls kleine Tintenkleckse sichtbar.
"Valerian - was hat er euch alles aufgetragen? Vielleicht kann ich euch weiter helfen, als ihr denkt. Es gibt zum beispiel ein sehr schönes Grundstück am östlichen Hang des Tales, an der grenze des Adelsviertels. Wald ganz in der Nähe, Wiesen. Unbebaut aber als Bauland geeignet..."
"Hmm.. das könnte durchaus seinen Wünschen entsprechen.. Sagt, wieso tut ihr das für mich..? Ich bin nur ein einfacher Diener und Schreiberling, meine Gunst wird euch wohl kaum etwas nutzen..."
Er drehte sich ruckartig um und starrte besorgt auf den Tisch.
"Ich sorge mich, dass Meiste Khalek auf meine Dienste verzichtet, wenn ich zuviel Hilfe von Außen erhalte. Ich kann jedoch nicht zurück... Weitere Bemühungen von eurer Seite werde ich nicht in Gold oder Ruhm vergelten können... Sicherlich habt ihr ebenfalls viel zu tun- ich hörte von der Sache mit eurem Mann."
"Wer war eigentlich der Kerl, der Euch an den Kragen wollte? Ich meine, wenn ich schon verleugne, Euch gesehen zu haben, möchte ich wenigstens wissen, mit wem ich es zu tun habe..." Sie sah Valerian an. "Und wegen des Grundstücks - ich hatte mit Khalek kurz darüber gesprochen. Wer zwingt euch eigentlich, ihm zu sagen, woher ihr die Informationen habt? Wartet..." Sie nahm ein Pergament und schrieb drei Namen und Orte darauf. Dann reichte sie es Valerian. "Bauleute. Ein Zimmermann hier aus Gullminne, der Maurer ist aus Menkelbach und der Dritte, aus der Stadt der hundert Türme, versteht sich bestend auf das Umsetzen von besonderen Wünschen..."
Besorgnis zeichnete sich in Valerians Gesicht aufgrund der Frage ab.
"Es... handelte sich dabei um.. meinen Herrn Vater, die Göttin sei seiner Seele gnädig. Versteht ihn nicht falsch... eigentlich ist er ein guter Mann. Seit meine Mutter kurz nach meiner Geburt dem Kindbettfieber erlegen ist, ist er dem Schwermut und der Trinkerei anheimgefallen. Manchmal neigt er dazu sich nicht mehr unter Kontrolle zu haben, doch er meint es immer nur gut! Ich habe nach ihm geschrieben. Vielleicht darf ich ihn bald wieder sehen."
Valerian streckte zögerlich die Hand nach dem Pergament aus. Seine Miene wich einem herzlichen Lächeln.
"Ich danke euch für eure Hilfe und vor allem für euren Großmut. Ich werde alle drei aufsuchen oder zumindest nach ihnen schreiben. Ist das Grundstück im Adelsviertel in eurer Obhut oder an wen darf ich mich wenden? Vielleicht können wir euch für eure Dienste ja ein Handgeld zusprechen, um eure Hilfe zu würdigen. Wenn ich euch oder eurem Mann irgendwann zu helfen vermag, lasst es mich wissen. Zur Zeit glaube ich jedoch, dass meine bescheidenen Heilenden Fähigkeiten seinem jetztigen Zustand kaum Linderung verschaffen werden... entschuldigt meine Indiskretion. Die Diener im Hause haben darüber getratscht.."
Er wendete seinen Blick leicht beschämt zu Boden, jedoch zeichnete sich eine gewisse Erleichterung in seiner Haltung ab.
"Was ist mit mir?" kam eine sanfte, dunkle Stimme aus dem Hintergrund und der große, athletische, eher kriegerisch wirkende Drow gesellte sich zu den Beiden. Kar'Yann trug eine weiche, dunkle Tunika und eine schwarze Hose und sah in diesem Aufzug so gar nicht nach einem Heiler aus. Seine tiefbaluen, fast violett wirkenden Augen funkelten und bildetetn einen satten Kontrast mit den sehr kurzen weißen Haaren zu der dunklen Haut.
Sirgal legte ihm den Arm um die Taille, als er sich neben sie stellte und sagte: "Darf ich vorstellen: Valerian - Kar'yann."
Valerian deutete eine Verbeugung an. Eine gewisse Ehrfurcht schwenkte in seiner Stimme mit.
"Es ist mir eine Ehre euch kennen zu lernen. Zwar bin ich geschäftlich hier, doch freut es mich, dass ihr bereits wieder bei guter Gesundheit seid."
Valerian schmunzelte beschämt, das Gesicht noch immer von Tinte befleckt.
"Nein, nein... wir sind uns noch nicht begegnet, aber ich arbeite für Meister Khalek als sein Sekretarius, obwohl meine eigentliche Profession eher der euren nahekommt. Euren Fertigkeitsgrad und euren guten Ruf vermag ich jedoch noch nicht annähernd zu erreichen."
Kar'Yann schmunzelte. "Ihr seid Heiler?" fragte er dann überrascht. "Ich welchen Bereichen habt ihr Eure Ferigkeiten, junger Mann? Und danke der guten Wünsche."
Valerian kratzte sich verlegen hinter dem rechten Ohr.
"Ich bin nur Schüler der magischen Heilkunst und vermag ein wenig positive magische Unterstützung zu leisten. Für die richtige Heilkunde waren meine Hände bisher nicht geschickt genug. Wie gesagt, nur ein Lehrling."
Er verbeugte sich mehrmals übertrieben, bevor er sich wieder Sirgal zuwandte, ohne zu wagen, den Blick vom Boden zu erheben.
"Verzeiht, dass ich so drängen muss, doch der Meister wird verärgert sein, wenn ich ihm nicht morgen einen passenden Grund für seine zukünftige Residenz vorweisen kann. Könnt ihr mir den Namen und den Wohnsitz des Verkäufers notieren? Ich werde ihn dann sogleich aufsuchen."
Valerian reichte Sirgal untertänig seinen hölzern eingefassten Folianten.
Sirgal nahm das Buch und schrieb ihm einen Namen hinein. "Wendet Euch an ihn - die meisten Grundstücke gehören Dietrecht. Er ist freundlich und umgänglich. Keine Sorge also. Er wird einen fairen Preis machen."
Kar'Yann musterte Valerian. "Wenn ihr Interesse habt, Eure Künste und Fertigkeiten zu vertiefen, kommt beizeiten vorbei." sagte der große Drow leise und zog sich dann zurück.