Fox saß auf dem Boden, den Rücken zu ihm. Ihe Stirn war in tiefe Falten gelegt und von ihr und der Kiste ging ein scharfer Brandgeruch aus. Erst recht von den Resten der Kleidung, die auch nach verbranntem Fleisch roch.
Fox hatte einen großen Haufen in einem Mülleimer versenkt und hielt grade ihre Waffe in Händen.
Fox seufzte, schwieg aber. Dann legte sie die Waffe vorichtig zur Seite. Blut und Feuer hatten sie geprägt, und sie würde einige Metallsplitter abschleifen oder entfernen müssen.
Alles in Allem war ein halbverbranntes Buch, eine handvoll Silbermünzen, die Waffe und eine Kette geblieben. Alles andere war nur noch Abfall.
Stumm nahm Pip sie von hinten in den Arm. Sagte zunächst nichts. War einfach nur da. Es zeriss ihn beinahe innerlich, dass er wusste, dass sich ihre Wege trennen würden. Sein einziger Trost war im Moment, dass sie im Gegensatz zu ihm in relativer Sicherheit sein würde, wenn sie erstmal ihren endgültigen Zielort erreicht hatte.
Er hielt sie fest, als wolle er sie nie wieder loslassen. "Was auch immer kommt...Bitte versprich mir, dass Du gut auf Dich aufpasst...", bat Pip mit gebrochener Stimme.
Er drehte sich ein wenig um Fox herum und holte sich in einer sanften Umarmung ihren Kopf an die Brust. Vorsichtig hielt er sie mit dem einen Arm umschlungen, während seine freie Hand sacht über ihr Haar streichelt. "Ich werde immer bei Dir sein.", verspricht er ihr, "Und der Tag wird kommen, an dem wir uns wiedersehen werden..." Pip rang krampfhaft um Beherrschung, doch so sehr er sich auch bemühte, schliesslich rannen stumme Tränen sein Gesicht herab und benetzten ihr Haar. "Eines Tages, meine Liebste, werde ich vor Dir stehen...", verspricht er ihr flüsternd, "Eines Tages, mein Herz...Irgendwann..." Dann schnürte es ihm die Kehle zu und er konnte für den Moment nicht mehr weitersprechen...
Hier, in der Abgeschiedenheit des Lazaretts, traute Fox sich, dem Gefühl der Verzweiflung nachzugeben. Später würde sie Haltung bewahren müssen, egal, was kam. Im Moment hatte sie aber eine Klinge im Herzen, einen Splitter, den sie nicht loswerden konnte, und der sich bei jeder Bewegung tiefer bohrte.
Es war zum ersten Mal seit sie sich kannten, dass sie es erlebte, dass Pip weinte. Im Moment hatte er das Gefühl, als würde ihm das Herz herausgerissen. Im Grunde seiner Seele wollte er nicht von dieser Frau weg, um keinen Preis; doch das Schicksal hatte anders mit den beiden gemeint. Innerlich schickte Pip Stossgebet um Stossgebet gen Himmel in der Hoffnung, dass er vielleicht erhört würde in der Hoffnung sein Wort einhalten zu können, denn die Berichte, die zur Zeit aus Caspia kamen waren alles Andere als ermutigend. Man sprach sogar stellenweise davon das die ewige Stadt zu fallen drohte. Kaum einer von denen, die man von aussen dorthin schickte, kam je wieder zurück...
Auch Fox wusste um die Hoffnungslosigkeit der Situation - und darum war es ihr, als würde sie ihn bewußt in den Tod schicken. Das Bild, von dem weinenden Mann in ihrem Arm und dem Schmerz in ihrem Herzen würde sie wohl nie wieder vergessen.
Auch würden die, die Fox erlebten, sie nach diesem Tag kaum wieder lachen sehen. Insgesamt wirkte sie distanzierter, dunkler und härter, als je zuvor.
Pip war klar, dass es durchaus sein konnte, dass er am Ende der nächsten Woche schon nicht mehr am Leben war, doch er würde trotzdem seine Befehle ausführen. Das war sein Job, seine Aufgabe in dieser Welt- so schwer es ihm dieses Mal auch fiel. Am Liebsten hätte er auf der Stelle gewaltigen Mist gebaut, dass man ihn ebenfalls in diese Kolonie jenseits des Tores schicken würde, doch das würde ihn eher vor ein Erschiessungskommando bringen, als an die Seite der Frau, die er aus tiefstem Herzen zu lieben gelernt hatte. Auch sein Ehrgefühl würde das nicht zulassen, denn er hatte dem König in seinen Diensten die Treue geschworen, als er in die Armee eingetreten war. Pip war hin und hergerissen, doch letztlich würde er tun wozu man ihn bestellt hatte.
Doch jetzt gerade wollte er die letzten Augenblicke mit Fox in dieser Zweisamkeit geniessen- so traurig diese Momente auch waren, auch dies waren kostbare Erinnerungen, die ihm später niemand mehr würde nehmen können. Ein Teil von ihm würde mit ihr gehen, soviel war klar...
Bevor sie das Zimmer mit ihren beiden wenigen Habseligkeiten bepackt verliessen, hielt Pip sie mit steinerner Miene noch einen Moment zurück. "Bitte warte auf mich...", hauchte er leise, "Und denk' daran...In gewisser Weise werde ich schon jetzt mit Dir kommen..." Mit dem letzten Satz legte er sacht eine Hand auf ihr Herz und zog sie ein vorläufig letztes Mal dicht zu sich heran. Sanfte, dunkle Augen ruhen in den ihren, ehe er sich zu einem Kuss leicht zu ihr herunterbeugt...