Zwischenzeitlich wurde der untere Teil des Gästehauses von einem betrunkenen Mann gestürmt, der wie ein Berserker auf den erstbesten Bediensteten einbrüllte und ihm sein Tablett samt Krügen wahllos aus den Händen schlug.
"WO IST ER?! Ich weiß, dass er hier ist!! Vergiften wollte er mich!! MICH! ICH BRINGE IHN UM!!"
Weitere Fluchtiraden folgten in einer Lautstärke, die selbst die Nachbarstädte geweckt haben mussten und der hochrote Kopf des riesigen Mannes wurde in der Auffälligkeit nur von den hervortretenden Venen auf seiner Stirn übertroffen.
Sirgal war aufgestanden, hatte den Becher in Sicherheit gebracht und sich in die Nähe eines Fensters begeben. "Wen sucht ihr, guter Mann?" fragte sie freundlich. "Vielleicht kann ich helfen?"
Dicke Schweissperlen rannten Valerian binnen Sekundenbruchteilen über die Stirn, seine Beinmuskeln waren bis zum zerreißen angespannt und sein Blick wanderte hysterisch durch den Raum, als wäre er drauf und draun durch das geschlossene Fenster zu springen.
"Das.. "
Seine Stimme versagte. Von unten schallte das Klirren zerbrechender Krüge.
"Beruhigt Euch", sprach Sirgal weiter ruhig zu dem Aufgeregten, wurde im Sprechen auch immer leiser, um seine Aufmerksamkeit zu fangen. "Es ist nicht gut für Euch, wenn ihr Eurem Körper so schadet."
Der Trunkenbold fand binnen weniger Sekunden seine Fassung zurück, als die ersten Krüge zerbrochen und die meisten Augen irritiert auf ihm ruhten. Unmittelbar darauf fing er herzlich an zu lächeln, half dem völlig verstörten Diener wieder auf die Beine, drückte ihm ein paar Münzen in die Hand und schob ihn beiseite.
"Aaah es war nur ein Missverständnis- kein Grund zur Sorge!!"
Mit einem warmen Lächeln wandte er sich scheinbar seelenruhig Sirgal zu, doch die pochenden Venen auf seiner Stirn schienen seinen sanften Tonfall Lügen zu strafen.
"Oh, verzeiht mein unschickliches Benehmen, sagt, ist seit den letzten Glockenschlägen ein blond gelockter Knabe hier hereingekommen? Etwa so groß. Sommersprossen."
"Ich bin schon eine Weile hier und habe niemanden gesehen, mein Herr. Wollt ihr Euch nicht setzen? Ihr seht nicht gut aus." Sie wandte sich einem Diener zu: "Bringt einen Becher kaltes Wasser..."
"Danke, ihr seid zu freundlich, doch die Arbeit ruft, bis zum Morgengrauen muss noch viel geschafft werden!"
Ohne eine Antwort abzuwarten, wandte sich die unangenehme Person mit der gleichen Frage an einen der Diener, die die Scherben zusammenkehrten. Eine Aura unterdrückter Wut und Fuselgestank umgab ihn wie eine explosive Wolke.
Wie konnte es jemand wagen, seine Ruhe durch diesen Tumult im Haus der Gäste zu brechen!
Er erhebt sich aus seinem Sessel, deutet kurz auf Valerian.
"Du! Mitkommen!"
Khalek verlässt sein Zimmer durch die Tür, schreitet den Flur entlang und geht soweit die Treppe runter, um zu erkennen, was im Empfangsraum passiert, aber immernoch eine hochwürdige Position inne hat.
Ein entsetztes Augenpaar blickte Khalek an vom Absatz der Stufen aus an. Ebenso besorgt wie beschämt gab der Mann nach einem Moment sein schönstes Festtagslächeln zum Besten.
"Meister Khalek! Bei den Göttern, wie unangenehm- ich meine natürlich, wie angenehm euch zu sehen, aber unter solch unangenehmen Umständen! Es lag mir fern, meilenweit, eure Ruhe mit den Marotten meines Sohnes zu stören.. ER hat nichts als Unsinn im Kopf, diesmal scheint er vollends verrückt geworden zu sein, der Arme. Glücklicherweise scheine ich rechtzeitig um Schlimmeres zu verhindern- offenbar wollte er sich aufmachen EUCH zu belästigen. Die Götter seien seiner Seele gnädig! Ich werde selbstverständlich dafür sorgen, dass es NIE mehr zu einer solch unangenehmen Störung eurer Muße kommen wird."
Valerian versteckte sich derweil starr vor Furcht und wortlos hinter einem der Vorhänge oberhalb der Treppe.
Khalek visierte den feisten Mann mit einem finsteren udn eiskalten Blick an, während in seinen Augen das feuer verschiedener Höllen zu erkennen war.
"Niemand ergreift die Flucht ohne Grund! Un dich denke, dass euer 'Sohn' genügend Gründe gehabt haben wird, um die Gefahr einzugehen, von mir wegen seiner Belästigung sanktioniert zu werden. doch nun seid ihr an der reihe, mir hier und jetzt den Grund für euren Tumult zu präsentieren. Und wagt euch, mich anzulügen!"
Ein Glitzern zeigte sich spontan in den Augen des just noch so peinlich berührten Mannes. Die Venen an seiner Stirn begannen wieder stärker hervorzutreten. Mit weicher, unterdrückter Stimme entgegnete er:
"`Flucht`?! Dann war er also hier?!! Er lügt! Seit dem Tod seiner Mutter bei seiner Geburt bereitet er nichts als Ärger! ER ist sehr krank. Durch die fehlende mütterliche Fürsorge spinnt er sich imemrzu verrückte Märchen zusammen und..."
Ein winziger Blick eines Dieners auf die Stiefel, die unterhalb des Vorhangs an der Treppe hervorlugten, verriet Valerians Versteck. Binnen Sekundenbruchteilen des Schweigens schien sich der Kopf des angespannten Mannes beinahe violett zu verfärben.
"Ich bin es leid! Verlasst auf mein Bitten hin dieses Haus und gönnt seinen Bewohnern die Ruhe, die ihnen zu steht. Geht nach Hause zu eurem Vieh oder zu was sonst auch immer! Ich werde euch hier nicht willkommen heißen!"
Eine ruckartige Bewegung Khaleks unterstreicht seine Worte, indem seine rechte Hand nun mit ausgestrecktem Finger zur Tür zeigt.
Khalek wölbt seinen Umhang so auf, dass Valerian nicht mehr direkt zu erkennen ist.
Mit einem Seitenblick zu Khalek, wandte sich der Mann mit einer fast lockenden Flüsterstimme der Treppe zu.
"Valeriaaaan..."
Der Vorhang zuckte.
"Habe ich dir nicht verboten, das Haus zu verlassen und Fremde zu belästigen..? Komm nach Hause und lass den guten Mann seine Arbeit tun... komm Heim mit mir und ich werde nachsichtig mit dir sein..."
Mit einem übertrieben liebevollen Lächeln streckte der Mann seine Handfläche zur Treppe aus.
Valerian schob langsam den Vorhang beiseite, doch bewegte sich kein Stück. Sein Gesicht war weißer als die Wand und in einer Fratze aus Trauer und Entsetzen festgefroren.
"Er ist volljährig udn so mit mündig! Er kann für sich selber sprechen udn seine eigene Meinung vertreten! Und eines sei euch gewiss: Ich wiederhole mich nicht gerne!"