Die Anstrengung für sie wird stärker. In der realen Welt beginnt Amira nun merklich zu zittern und auch ihre Atmung klingt immer mehr nach einem gehetzten Tier, als nach einem ruhig da sitzenden Menschen. Ihre Hand auf der Wange des Verletzten zittert, löst jedoch nicht den Kontakt. Sehr lang würde ihre Energie hierfür nicht mehr ausreichen, doch sie war nur zu gern bereit auch diese Grenze zu überschreiten, wenn es sein müsste- und im Moment sieht es ganz danach aus.
"Zurück nach Hause.", antwortet die Frau sanft, "Es wird Zeit." Als Allister in dem Trugbild in sich zusammensackt, fängt Amira ihn gerade noch rechtzeitig auf. Sie schüttelt ihn sacht an der Schulter und tastet nach Puls. So schwach. "In Cetus' Namen, bleib da!", ruft sie ihm zu, "Das werde ich nicht zulassen- also gib' Dir keine Mühe! So wirst Du mir nicht davon kommen!" Bilder blitzen vor ihrem inneren Auge auf. Wie Bakal gestorben war. Dieses heimtückische Fieber. Sie konnte nicht das Geringste für ihn tun. Nur daneben sitzen und zusehen. Nein! Nicht noch einmal! Amira legt eine Hand auf das Herz des Warcasters. "Bleib' da, hörst Du?!", presst sie angestrengt zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. Er war sehr schwach. Er brauchte Energie. Und sie gibt sie ihm. ."Ich komm Dir nach und schleif' Dich mit Gewalt wieder her, wenn Du mich dazu zwingst!"
Unbewusst hat sie ihre linke Hand auf den Harnisch in Höhe des Herzens gelegt und beginnt ihre noch verbliebene Energie langsam an Allister abzugeben. Klagend, fordernd klingt wieder ein neues Lied im Wind...
"Tänzerin, Bärenkind Letztes Blatt im Kalender Und ein Lied jemand singt Es war einmal im Dezember
Sag' wer hält mich fest im Arm? Schlittenfahrt und doch ist mir warm Paare drehen sich geschwind Musik verweht im Wind
Weit, so weit- lange schon Märchentraum im Dezember Sehnsucht ruft mein Herz nach Haus Über Meere und Länder
Und ein Lied leis' erklingt... Es war...einmal...im...Dezember..."
Ein seichtes Licht geht von Amira aus. Sehr schwach. Kaum wahrnehmbar. Und doch irgendwie da. Ihr Gesicht verzieht sich langsam aber sicher unter den Schmerzen, die ihr das Wirken von Magie bereitet- ihr Adrenalinpegel ist zwar nach wie vor sehr hoch, jedoch nicht hoch genug um auch noch die Schmerzen einer Energieübertragung zu übertünchen. Eine fremdartige Art von Aura umgibt sie und den Verletzten. Einereits sanft und warm, andererseits unglaublich stark und unnachgiebig...
Gedanken von Rache geistern durch Amira's Seele. Sie gibt dem Mistvieh von einem Frostdrachen die Schuld an Allem. Die Toten. Die Verletzten. Die Zerstörung. Diese Gedanken entfachen den Hass in ihr. Und sie weiss diese Wut instinktiv zu nutzen. Sie nimmt die Kraft und fügt sie ihrer eigenen hinzu- auch wenn es im Grossen und Ganzen gesehen nicht mehr als ein Tropfen auf den heissen Stein ist...
Der Kontakt bricht ab. "Nein! Nicht so!", versucht Amira ihn weiter zu erreichen, "Allister! Bleib da!"
Die Starre fällt von ihr ab und sie wird wieder ins Hier und Jetzt katapultiert. Amira prallt zurück, hält sich jedoch gerade so aufrecht. Ihr Blick huscht über die Rüstung. "Das muss weg- es gibt keinen anderen Weg.", murmelt sie halblaut zu sich selbst- Kyrillas hat sie zu dem Zeitpunkt immer noch nicht bemerkt.
Mit fliegenden Fingern zerschneidet sie die Lederriemen, die die Rüstung zusammenhalten und verteilt ihr Blut nur noch mehr. Den brennenden Schmerz ignoriert sie verbissen. Unendlich vorsichtig versucht sie den oberen Teil des Brustpanzers anzuheben, doch das gelingt ihr nur zum Teil, denn das Holzstück hatte die Platte praktisch festgenagelt.
Fieberhaft überlegt sie. Wenn sie das Teil einfach rauszieht, besteht die Gefahr, dass er ihr einfach unter den Händen verblutet. Andererseits würde er sowieso sterben, wenn man das Teil drin lassen würde; denn wer wusste schon, wann sie hier unten Hilfe bekämen? Die Wahl wurde eng... "Bitte verzeih' mir, mein Freund...", flüstert sie leise und rupft mit einem kräftigen Ruck das störende Rüstungsteil samt Splitter fort. Ihr wird schwindelig. "Nicht jetzt.", knurrt sie heiser und schüttelt den Kopf, um bei halbwegs klarem Verstand zu bleiben, denn nun galt es eine Wunde zu versorgen...
Sirgal war fortgebracht worden. Sie hatte zwar schläfrig ein Auge halb geöffnet, als das geschah, doch es war eher ein Alptraum, der sie daraufhin verfolgte.
Der Trank verhinderte, dass sie erwachen konnte. Entsprechend unruhig wurde ihr Schlaf - und grausam gefangen in diesem Alptraum blieb sie. Schweiß stand ihr auf der Stirn, aber es gab kein Entkommen. Die Heilkundigen hatten genug zu tun, sich um wirklich Verletzte zu kümmern, als um eine unruhig Schlafende. Sirgal wusste nicht mehr, wo sie war.
Als das Dach einbrach, hatte das jedoch noch jemand anderes gesehen - Allisters Leute waren nicht unfähig. Es war ein Kämpfer, der in etwa im Alter seines Gouverneurs war, der sich dann umsah und bellend Befehle erteilte. Er scheuchte einen Haufen jüngerer Rekruten auf, ein Lazarett zu organisieren und einen Rettungstrupp für die Suche in den Trümmern zusammenzustellen. Als jemand das Kommando an sich nahm, kam etwas Ruhe in den aufgescheuchten Mob und man ging eilig den Ordern nach, die Struktur bedeuteten. Dabei war es egal, ob der Mann wirklich etwas zu sagen hatte, oder nicht. Er riß eine Verbandtasche an sich und lief in das teilweise eingestürzte Gebäude zurück. Die Treppe war ja teils verschüttet - und der Gang im Obergeschoß wies ein klaffendes Loch auf. Im Innenhof sah er den toten Medicus liegen und ein Fluch löste sich von seinen Lippen. Er sah hinauf - und machte sich an den gefährlichen Weg nach oben. Es dauerte eine Weile, dann konnte er Amira und Kyrillas sehen. Und zu seinem Entsetzen auch Allister und den Warjack. Zügig aber mit größter Vorsicht kam er zu ihnen. Seine Züge waren ernst, als er bei seinem Gouverneur niederkniete und Amira fragte: "Was ist geschehen?"
Inzwischen hat sie ihren Schal fest auf Allister's Wunde gepresst, um die durch ihre 'Rupfaktion' entstandene Blutung zu stillen. "Bleib da, Allister!", ruft sie ihn immer noch, "Zwing mich nicht, Dich gewaltsam wieder herzuholen!" Es dauert einen Moment, bis sie reagiert. So schwach. Nein. Nicht jetzt. Die Angesprochene schüttelt den Kopf, um einen klaren Gedanken fassen zu können. Sie fast ist am Ende.
Aus müden Augen schaut sie hoch und deutet mit einer fahrigen Geste auf den entfernten Teil des Brustpanzers, in dessen linkem Bereich immer noch das Holzstück steckt. "Ich brauche Eure Hilfe.", antwortet sie schwach. "Haltet das.", weist sie ihn an, nimmt seine Hand und drückt sie auf den durchtränkten Stoff. Ihre eigene Hand ist erschreckend kalt...[/u]
Nur kurz streift der Blick des Mannes den jungen Kämpfer, der direkt neben Amira steht, aber scheinbar grade zu erschrocken ist, um reagieren zu können. Um ihn würden sie sich später kümmern... Sein kundiges Auge erfasst auch die verletzungen der Frau vor ihm, doch hier war der Gouverneur wirklich der, der zunächst Hilfe brauchte.
Er griff nach dem Tuch und presste es fest auf die Wunde, um die Blutung zumindest oberflächlich im Griff zu haben. Dann herrschte er den Jüngeren an: "Nehmt die Tasche und verbindet ihr zumindest das Bein!" Dann wandte er sich wieder Amira zu, und fragte erstaunlich sanft: "Kommt ihr zurecht?"
Sie ist blass. Sehr blass. Amira blickt auf und ihre verschiedenfarbigen Augen finden die des Neuankömmlings. Sie versucht das Gesicht einzuordnen- vergeblich. "...Ja...es muss...gehen...Bin jetzt nicht wichtig...", antwortet sie und greift in ihren Gürtelbeutel.
Zu Tage fördert sie ein Skalpell und zwei Wundhaken mit Knochengriff. Sie hat Schwierigkeiten das Besteck zu halten. Ihre lädierten FInger wollen nicht mehr ganz so wie sie will. Sie schaut von ihrer Hand auf und wieder den Mann an. "Ihr...müsst mir helfen.", kommt es leise von ihr, "Ich...schaff' das nicht...allein..."
Seine dunkle Stimme ist sanft, als er etwas ungewöhnlich reagiert. Er veränderte seine Position und übt mit dem Knie Druck auf die Verletzung Allisters aus, dann nimmt er Amiras Hände kurz in seine. Sie sind warm und er strahlt eine unerschütterliche Ruhe aus. Er reibt sanft Amiras geschundene Finger, hält sie kurz in den eigenen Händen, damit sie warm werden. "Ruhig. Wir bekommen das schon hin." Er kniet jetzt so, dass Allisters Kopf und die Verletzung durch den eigenen Rücken vor Regen und Graupel geschützt sind. "Er muss hier weg - und das schnell. Zumindest dahin, wo er sich nicht den Tod holt, anstatt zu verbluten."
Amira ist ruhig. Ruhig und durch ihre Zauberei sehr geschwächt- einzig ihr Dickkopf und die Sorge um Allister halten sie momentan davon ab einfach aus den Latschen zu kippen. Als er ihre Hände nimmt, zuckt sie kurz zusammen. Es brannte höllisch, doch das würde sie nicht davon abhalten, das Nötige zu tun.
Ein Feuer lodert in ihren Augen hoch. Nein. Sie würde kämpfen. das Wort 'Aufgeben' existiert für sie nicht. Sie nickt. "Zuerst die Wunde.", antwortet sie mit deutlich gefestigter Stimme und blickt auf ihren Freund hinunter, "Wenn das versorgt ist, können wir uns Gedanken um den Transport machen." "Ist da Nahtmaterial drin?", fragt sie und deutet mit einem Kopfnicken auf die mitgebrachte Tasche...
"Dann los.", entgegnet Amira, denn ihr war es in den vergangenen Jahren mit zunehmendem Masse auch nicht viel anders ergangen. Äusserst vorsichtig hebt sie den Stoff an, die Blutung hatte ganz gut nachgelassen.
"Wir müssen das freischneiden, damit wir an die restlichen Splitter rankommen."
Der Lieutenant schlug den Rockschoß seines Mantels auf und legte das zurecht, was sie brauchen würden. Dass er ein Feldscher war, würde Amira schnell erkennen - sein Vorgehen war routiniert und sicher.
Mit Zuversicht verfolgt sie die Vorbereitungen des Mannes, dessen Namen sie immer noch nicht kannte. Er wirkt sehr sicher in dem was er tut. Ihr Blick fällt auf Allisters entspannte Züge. "Nicht heute. Nicht so. Nicht jetzt, mein Freund. Das verspreche ich Dir.", schickt sie ihre sanfte Stimme in seinen Geist, auch wenn sie nicht sicher war, dass er sie überhaupt hörte, noch wer sonst noch was davon mitbekam.
Dann konzentriert sie sich auf das was vor ihnen liegt. Vorsichtig nimmt sie ihren Schal ganz von der Wunde, damit sie mit dem Freischneiden beginnen konnten. Auf den ersten Blick sieht es ziemlich bös aus und es war klar, dass es noch ein ganzes Stück Arbeit werden würde, bis sie sämtliche Fremdkörper aus Allister's Körper entfernt hätten...